Der Verteidigung von Beate Zschäpe lag die Anklageschrift noch nicht vor, während sie bereits über die Presse veröffentlicht wurde.
Hamburg. Die Verteidigung der mutmaßlichen NSU-Terroristin Beate Zschäpe wirft der Bundesanwaltschaft einen Verstoß gegen die Richtlinien für das Strafverfahren vor. Die Anwälte hätten vor der Öffentlichkeit über die Anklageerhebung informiert werden müssen, sagte Verteidiger Wolfgang Stahl dem „Spiegel“.
Als er Zschäpe am Donnerstagnachmittag über die Anklageerhebung habe informieren wollen, „lief allerdings schon die Pressekonferenz der Bundesanwaltschaft. Frau Zschäpe sah einen Bericht darüber gerade im Fernsehen und war verständlicherweise sehr irritiert darüber, dass sie von den konkreten Vorwürfen aus dem Fernsehen erfuhr, noch bevor wir Gelegenheit hatten, mit ihr darüber zu sprechen“, erklärte Stahl.
Er fügte hinzu: „Das Vorgehen der Bundesanwaltschaft, wesentliche Inhalte der Anklageschrift dennoch der Öffentlichkeit zu präsentieren, hat uns verärgert und stößt auf völliges Unverständnis. Unserer Meinung nach ist das ein Verstoß gegen die Richtlinien für das Strafverfahren.“ Zschäpe sitzt derzeit noch in Köln-Ossendorf ein, ihr Prozess soll in München stattfinden.
Die Bundesanwaltschaft verteidigte ihre Informationspolitik. Weil über die Anklageerhebung bereits berichtet worden sei, habe man sich „zur Wahrung der schutzwürdigen Interessen aller Verfahrensbeteiligten“ veranlasst gesehen, die Medien umgehend zu informieren. „Dieses Vorgehen war ausnahmsweise angezeigt, um Spekulationen über den Inhalt der Anklageschrift zu begegnen und einer Fehlinformation der Öffentlichkeit vorzubeugen“, teilte die Behörde mit. Über diesen Schritt seien die Verteidiger der Angeschuldigten vorab telefonisch informiert worden. Auch den Anklagevorwurf hätten die Verteidiger vor der Öffentlichkeit gekannt.
Ein Jahr nach dem Auffliegen der rechtsextremistischen Terrorzelle NSU hatte die Bundesanwaltschaft Anklage gegen das mutmaßliche NSU-Gründungsmitglied Beate Zschäpe und vier Unterstützer des Trios erhoben. In einer 500-seitigen Anklageschrift wird Zschäpe unter anderem Beteiligung an der Ermordung von neun ausländischen Kleinunternehmern und der Polizistin Michèle Kiesewetter in Heilbronn vorgeworfen, wie die Behörde am Donnerstag in Karlsruhe mitteilte.
Die Mitglieder des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) „verstanden sich als ein einheitliches Tötungskommando, das seine Mordanschläge aus rassistischen und staatsfeindlichen Motiven arbeitsteilig verübte“, hieß es zur Begründung. Zudem soll sich die 37-Jährige an zwei Sprengstoffanschlägen des NSU in Köln als Mittäterin beteiligt haben. Neben Zschäpe werden vier mutmaßliche NSU-Unterstützer angeklagt. Die Anklage wurde vor dem Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts München eingereicht.
Zschäpe wird von der Bundesanwaltschaft zudem verdächtigt, als Mittäterin für 15 bewaffnete Raubüberfälle verantwortlich zu sein. Ferner wird ihr in der Anklageschrift zur Last gelegt, die Unterkunft der terroristischen Vereinigung in Zwickau in Brand gesetzt und sich dadurch wegen eines weiteren versuchten Mordes an einer Nachbarin und zwei Handwerkern strafbar gemacht zu haben.