Hamburger Vorstoß von Justizsenatorin Jana Schiedek (SPD) heute im Bundesrat. Die Chancen stehen gut. Unterstützung auch aus der CDU.
Berlin. Es ist schon einige Tage her, da saß Sven Erik Svedman auf einem kleinen Podium in der Hamburger Landesvertretung in Berlin und brachte die Augen seines Publikums zum Leuchten. Svedman ist norwegischer Botschafter in Deutschland, ein großer Mann mit skandinavischem Akzent, blonden Haaren und trockenem Humor. Er saß also da und berichtete über das Arbeitsleben in seinem Heimatland. Fast alle börsennotierten Unternehmen hätten dort eine Frauenquote von 40 Prozent, wie es ein Gesetz seit 2003 vorschreibt. Es gebe ausreichend Kinderbetreuung - und es sei total in Ordnung, wenn man auch mal um 16 Uhr Feierabend mache, um Zeit mit der Familie zu verbringen. Selbst ein Minister könne sich dieses Recht herausnehmen. Und, betonte Svedman, Norwegen stehe deshalb nicht am Abgrund. Das Land habe keinerlei wirtschaftliche Verluste zu beklagen.
Die deutschen Gäste staunten. Denn was Quoten und familienfreundliche Arbeit angeht, ist die Bundesrepublik ein Entwicklungsland. Ganz anders Norwegen: Als erstes Land der Welt hatte es vor neun Jahren die Frauenquote eingeführt und nebenbei seine Betreuungsstruktur auf die Bedürfnisse arbeitender junger Eltern ausgerichtet. "Alles hängt mit allem zusammen", hatte Svedman an jenem Abend in der Hamburger Landesvertretung immer wieder gesagt. Soll heißen: Eine Quote allein schafft noch lange kein familienpolitisches Paradies, aber viele kleine Maßnahmen können die Lage ein ganzes Stück besser machen und sich gegenseitig verstärken.
Neben Svedman auf dem Podium saß auch Hamburgs Justizsenatorin Jana Schiedek. Die SPD-Politikerin sieht es ähnlich wie Svedman. Sie hat vor einigen Monaten einen Gesetzentwurf für eine 40-Prozent-Frauenquote in Aufsichtsräten börsennotierter und mitbestimmter Unternehmen eingebracht. Als SPD-Land hat es Hamburg mit solchen Initiativen nicht leicht: In der Länderkammer braucht man für einen erfolgreichen Gesetzentwurf mindestens 35 Stimmen, doch die von Sozialdemokraten und Grünen geführten Länder kommen nur auf 30 Stimmen. Insofern sind Gesetzesinitiativen von der Opposition in erster Linie ein symbolischer Akt - meistens jedenfalls. Was die Legislative betrifft, hat vor allem der von CDU/CSU und FDP dominierte Bundestag das Sagen.
Dass sich der Bundesrat wohl trotzdem auf Schiedeks Vorlage einigen wird, liegt daran, dass die Quote in der CDU umstritten ist. Nicht alle Frauen in der Partei unterstützen die Flexi-Quote von Familienministerin Kristina Schröder, bei der sich die Unternehmen zunächst eine eigene Zielmarke setzen dürfen. Arbeitsministerin Ursula von der Leyen ist auf Unionsseite die wohl bekannteste Verfechterin einer gesetzlichen Quote und wird unterstützt von Saarlands Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer. Sowohl sie als auch die Große Koalition in Sachsen-Anhalt haben nun angekündigt, heute für die Quote votieren zu wollen. Dann kommen 37 Stimmen zusammen.
Schiedek sagte dem Abendblatt, sie sei "zuversichtlich, dass wir im Bundesrat eine Mehrheit erreichen können", denn man habe die Kritikpunkte an vergangen Gesetzentwürfen aufgegriffen. Umstritten war zuvor vor allem die Sanktionierung von Quotensündern. Frühere Initiativen hatten vorgesehen, die Wahl des Aufsichtsrats komplett infrage zu stellen. In Schiedeks Entwurf soll bestraft werden, indem die Vergütungen für Aufsichtsratsmitglieder für das Unternehmen nicht mehr steuerlich absetzbar sind. "Auch in anderen europäischen Ländern wie etwa Norwegen, Spanien, Frankreich, Belgien und Italien gibt es eine gesetzliche Quote - und Erfahrungen zeigen, dass sie funktioniert", so Schiedek. "Wir dürfen nicht weitere zehn Jahre ungenutzt verstreichen lassen. Jetzt ist die Zeit zum Handeln."
Passiert ihr Entwurf die Länderkammer geht das Gesetz in den Bundestag. Angesichts der Uneinigkeit in der Union gibt es auch dort immerhin eine Chance. Der Hamburger CDU-Abgeordnete Jürgen Klimke sagte dem Abendblatt, er freue sich über die Bundesratsinitiative. "Ich bin überzeugt, dass nur eine feste Quote die Frauen in den Manageretagen der Arbeitswelt besser verankern kann." Sollte es zu einer Bundestagsentscheidung kommen, stehe er zur festen Quote. "Die Flexi-Quote der Familienministerin ist gut gemeint, wird aber ihre Wirkung verfehlen. Wir brauchen klare Kante in dieser Frage." Auch die CDU-Abgeordnete Elisabeth Winkelmeier-Becker, Vizechefin der Gruppe der Frauen in der Union, nannte das Gesetz "nicht von vornherein chancenlos". Die Gruppe hatte sich wiederholt für eine Quote ausgesprochen, war aber von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zurechtgewiesen worden.
Für norwegische Verhältnisse wäre in Deutschland also noch ein weiter Weg zu gehen - denn die anderen Koalitionspartner lehnen die Quote strikt ab: CSU-Chef Horst Seehofer sagte: "Wir sollten uns jetzt um die wirklich wichtigen Fragen dieses Landes kümmern." Der Vorstoß aus Hamburg lenke nur ab, sagte Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP). Stattdessen müsse die Kinderbetreuung ausgebaut werden.