Die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Renate Künast, will zur Aufklärung der Pannenserie beim Bau des Großflughafens notfalls den Bundestag einschalten. „Der Aufsichtsrat muss endlich Licht ins Dunkel bringen“, forderte Künast.
Berlin/Schönefeld. Die Aufsichtsratssitzung der Berliner Flughafengesellschaft hat am Donnerstagvormittag mit rund halbstündiger Verspätung begonnen. Die Mitglieder unter Vorsitz von Berlins Regierendem Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) beschäftigten sich mit Fragen der Finanzierung sowie der technischen Gebäudeausrüstung, vor allem der Brandschutzanlage, verlautete aus Gesellschafterkreisen. Außerdem gehe es um den Lärmschutz für Flughafen-Anwohner. Vom neuen Baugeschäftsführer Horst Amann, der am 1. August seine Stelle antrat, wird der erste Bericht zum Fortgang der Arbeiten im Terminal erwartet.
+++ Mutmaßlicher Islamist arbeitete an Flughafen-Baustelle +++
Die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Renate Künast, will zur Aufklärung der Pannenserie beim Bau des Großflughafens notfalls den Bundestag einschalten. „Der Aufsichtsrat muss endlich Licht ins Dunkel bringen“, forderte Künast. Sie fügte hinzu: „Wenn er das nicht kann oder nicht will, dann werden wir auch auf parlamentarischem Weg auf die dringend nötige Aufklärung dringen.“
Künast sagte weiter, sie erwarte vom Aufsichtsrat der Flughafengesellschaft, dass dieser „endlich mit der Wahrheit ans Licht kommt, ob der 17. März gehalten werden kann und wann welche Mängel bekannt waren“. Ihre Fraktion wolle zudem „wissen, ob die jetzt bekannt gewordene Mängelliste wissentlich vertuscht wurde“. Künast betonte: „Wir Grünen sind nicht länger bereit, uns eine derartige Groteske vorführen zu lassen.“
Der Aufsichtsrat soll sich nicht auf einen Eröffnungstermin festlegen, sondern erst im September eine Entscheidung treffen. Eigentlich sollte der Flughafen am 3. Juni in Betrieb gehen. Wegen technischer Probleme und Missmanagements musste der Termin aber verschoben werden. Der Aufsichtsrat tagt den Angaben zufolge – wie die vorherigen beiden Male auch – abgeschirmt von der Öffentlichkeit auf der Baustelle des Flughafens.
Keine Entscheidung wird darüber erwartet, ob der zuletzt genannte Eröffnungstermin für den Airport in Schönefeld im März 2013 zu halten ist. Es ist unklar, ob die Probleme an der Brandschutzanlage rechtzeitig behoben werden. Zuletzt hatten sich die Anzeichen verdichtet, dass die Inbetriebnahme nochmals verschoben werden muss.
Weitere Themen sind der Streit um den Lärmschutz für die Flughafen-Anwohner und die Enttarnung eines mutmaßlichen Islamisten im Flughafen-Wachschutz.
Platzeck verteidigt Flughafen-Aufsichtsrat
Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) hat den Aufsichtsrat gegen heftige Kritik unter anderem der Opposition verteidigt. Das Kontrollgremium sei seinen Pflichten nachgekommen, sagte Platzeck der „Lausitzer Rundschau“ (Donnerstagausgabe). Rückblickend wäre das Gremium allerdings gut beraten gewesen, noch misstrauischer zu sein, räumte Platzeck ein, der selbst Aufsichtsratsmitglied ist.
Der SPD-Politiker bestätigte zugleich indirekt, dass bei der Aufsichtsratssitzung am (heutigen) Donnerstag noch keine Entscheidung darüber fallen werde, ob am zuletzt geplanten Eröffnungstermin 17. März 2013 festgehalten wird. Der neue Technikchef Horst Amann prüfe das noch. Platzeck sagte: „In den nächsten Wochen ist er damit durch, und dann wird er dem Aufsichtsrat klipp und klar sagen, ob der Flughafen am 17. März 2013 eröffnet werden kann. Dieser Termin war ja noch ohne ihn festgelegt worden.“
Allerdings muss der Flughafen nach Ansicht von Platzeck so schnell wie möglich fertig werden. Bei Verzögerungen fehlten der Flughafengesellschaft jeden Monat Einnahmen in Höhe von 15 Millionen Euro. Platzeck bekräftigte: „Der Flughafen wird nicht Insolvenz anmelden. Er hat drei potente Gesellschafter.“ Anteilseigner der FBB sind der Bund sowie die Länder Brandenburg und Berlin.
Berliner IHK-Chef hält an Wowereit als Flughafen-Aufsichtsrat fest
Trotz der Verzögerungen beim Bau des Hauptstadtflughafens sollte der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) nach Ansicht der Berliner Industrie- und Handelskammer (IHK) im Kontrollgremium der Betreibergesellschaft bleiben. „Ich würde es für falsch halten, wenn Herr Wowereit als Aufsichtsratsvorsitzender zurücktreten würde“, sagte IHK-Präsident Eric Schweitzer am Donnerstag im Deutschlandfunk. Viel mehr sieht er Geschäftsführer Rainer Schwarz in der Verantwortung. Das Vertrauen der Wirtschaft in ihn sei „tief erschüttert und kaum mehr vorhanden“, sagte Schweitzer.
Zuvor hatte der Berliner FDP-Vorsitzende Martin Lindner einen Rückzug Wowereits und eine Führungsrolle des Bundes im Aufsichtsrat der Berliner Flughafengesellschaft gefordert. Der Regierende Bürgermeister solle wegen der Fehler beim Bau des Flughafens in Schönefeld Platz für Profis machen, sagte Lindner der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (Donnerstagausgabe).
Brüderle: Bund darf keine Mittel für Flughafen BER zuschießen
Der FDP-Bundestagsfraktionsvorsitzende Rainer Brüderle ist gegen zusätzliche Mittel vom Bund für den Berliner Hauptstadtflughafen. „Es kann nicht sein, dass Berlin diese Chaos-Kosten auf den Bund abschiebt“, sagte der frühere Bundeswirtschaftsminister der „Berliner Morgenpost“ (Donnerstag). „Herr Wowereit macht die Stadt immer mehr zum internationalen Gespött“, sagte Brüderle mit Blick auf Berlins Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD).
Der steinige Weg zum Hauptstadtflughafen
Dezember 1991: Gründung der Berlin Brandenburg Flughafen Holding (BBF). Gesellschafter sind die Länder Berlin und Brandenburg.
Januar 1992: Beginn der Planungen für den Flughafen mit dem Projektnamen Berlin Brandenburg International, BBI.
Juni 1996: Der Ausbau des Flughafens Schönefeld sowie die Schließung der Flughäfen Tegel und Tempelhof werden beschlossen.
August 2004: Das Genehmigungsverfahren für den BBI wird mit dem Planfeststellungsbeschluss abgeschlossen. April 2005: Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig verhängt im Eilverfahren einen weitgehenden Baustopp. Bis zum Urteil sind nur Bauvorbereitungen gestattet.
März 2006: Das Gericht genehmigt in letzter Instanz den Bau des BBI unter verschärften Lärmschutzauflagen.
Juli 2008: Erster Spatenstich für das Flughafen-Terminal. Oktober 2008: Nach 85 Jahren schließt der Flughafen Tempelhof.
Oktober 2009: Das Brandenburger Verkehrsministerium erlässt eine neue Nachtflugregelung: Keine Starts und Landungen von Mitternacht bis 5.00 Uhr, Ausnahme Post- und Regierungsmaschinen, Notfälle. In den Randzeiten davor und danach ist die Zahl begrenzt.
Juni 2010: Unter anderem wegen der Pleite einer Planungsfirma wird die Eröffnung von November 2011 auf den 3. Juni 2012 verschoben.
September 2010: Die Deutsche Flugsicherung legt einen ersten Flugrouten-Vorschlag vor. Tausende Betroffene gehen dagegen auf die Straße. Es gibt neue Klagen gegen den Planfeststellungsbeschluss.
Oktober 2011: Das Bundesverwaltungsgericht gibt grünes Licht für nächtliche Flüge in den Randzeiten. Der Airport kann ohne weitere Einschränkungen an den Start gehen.
Januar 2012: Das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung legt die Flugrouten fest und folgt im wesentlichen einem Vorschlag der Fluglärmkommission aus Gemeinde- und Airline-Vertretern.
Mai 2012: Vier Wochen vor dem Termin wird wegen Problemen mit der Brandschutzanlage die Eröffnung des Flughafens erneut abgesagt. Später wird Chef-Planer Manfred Körtgen entlassen. Juni 2012: Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg spricht den Anwohnern das Recht auf besseren Schallschutz zu.
22. Juni 2012: Der Aufsichtsrat entscheidet, den neuen Starttermin 17. März erneut zu überprüfen und am 16. August darüber zu entscheiden.
31. Juli 2012: Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig weist die Klage von Anwohnern ab, das Genehmigungsverfahren für den neuen Hauptstadtflughafen neu aufzurollen. Jetzt steht der Eröffnung des Airports zumindest juristisch nichts mehr im Weg.
16. August 2012: Sitzung des Aufsichtsrats der Flughafengesellschaft. Es wird erwartet, dass ein Konzept zur Finanzierung der Mehrkosten von 1,17 Milliarden Euro vorgelegt wird. Außerdem steht der für 17. März 2013 geplante Eröffnungstermin zur Disposition.
Mit Material von dapd und dpa