Schröder verteidigt das nun zehn Jahre alte Konzept, Linke wolles es revidieren, die Wirtschaft warnt vor Aufweichung. Hartz polarisiert noch immer.
Berlin. Der zehnte Geburtstag könnte friedlicher sein: 2002 wurde das Hartz-Konzept vorgestellt und entzweite die Nation. Heute sieht es noch genauso aus. Linke und Wirtschaft liegen bei der Bewertung der Hartz-Reformen über Kreuz. Während die Linksparteivorsitzende Katja Kipping am Donnerstag eine Generalrevision forderte, warnten Wirtschaftsvertreter davor, die Arbeitsmarktreform aufzuweichen. Altbundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) verteidigte das Konzept , das auf seine Initiative zurückgeht und vor zehn Jahren vorgestellt wurde.
Kipping forderte einen Masterplan für einen Politikwechsel. „Wir wollen nach der Wahl eine Generalrevision von Hartz IV durchsetzen“, sagte sie der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. „Ohne Mindestlohn und sanktionsfreie Mindestsicherung läuft mit uns nichts.“ Kipping forderte eine neue unabhängige Expertenkommission, in der außer den Gewerkschaften auch Sozialverbände und Erwerbsloseninitiativen eine Stimme haben sollten. „Diesmal sollte nicht ein Wirtschaftsboss die Leitung bekommen, sondern eine Person, die moralische Integrität und soziales Gewissen vereint, zum Beispiel aus der Kirche“, sagte sie.
+++ Neue Hartz-IV-Sätze sind verfassungsgemäß +++
Handwerkspräsident Otto Kentzler sagte dem Blatt, im Zuge der Hartz-Reform sinke die Langzeitarbeitslosigkeit deutlich, zugleich steige die Zahl von regulären Jobs und immer mehr Mini-Jobs würden in Vollzeitstellen umgewandelt. Er könne nicht verstehen, dass SPD und Grünen, die diese Reformen mutig durchgeführt hätten, heute häufig auf Distanz dazu gingen.
Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) lobte das Prinzip des Förderns und Forderns als Meilenstein auf dem Weg zum Abbau der Langzeitarbeitslosigkeit. DIHK-Präsident Hans Heinrich Driftmann sagte der Zeitung, durch die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe sowie den Umbau der Bundesagentur für Arbeit sei es gelungen, die vor den Hartz-Reformen stetig steigende Sockelarbeitslosigkeit in Deutschland abzubauen. Künftig müsse es noch besser gelingen, auch wenig Qualifizierte aller Altersgruppen in die Betriebe zu bringen. Driftmann warnte vor Mindestlöhnen.
In dieser Frage schlug sich Altkanzler Schröder auf die Seite der Linken. Im Grundsatz müsse jeder von seiner Hände Arbeit leben können, sagte er der „Bild“-Zeitung. Deshalb sei ein Mindestlohn sinnvoll.
Schröder verteidigte das Hartz-Konzept als Gewinn für die Gesellschaft. „Wir haben zwei Millionen Arbeitslose weniger im Vergleich zu 2005, als die Reformen umgesetzt wurden“, sagte er. „Ich weiß, dass die Reformen zu Beginn schmerzhaft waren, aber wenn wir heute die Erfolge sehen, dann hat es sich für unser Land gelohnt.“
Schröder wies den Vorwurf zurück, Deutschland sei durch die Hartz-Reformen unsozialer geworden. Kein Arbeitsloser, Kranker oder Hilfebedürftiger werde zurückgelassen. „Aber es ist nicht unsozial, wenn der Staat einfordert, dass jemand, der arbeiten kann und dem Arbeit angeboten wird, diese auch annimmt“, sagte er. (dapd)