SPD und Grüne attackieren die von der schwarz-gelben Koalition geplante Hartz-IV-Anrechnung beim Betreuungsgeld. Aber auch aus den eigenen Reihen kommt Kritik. Unions-Mittelstandschef: “Betreuungsgeld völlig falscher Ansatz“
Berlin. Die Opposition hat eine mögliche Hartz-IV-Anrechung auf das umstrittene Betreuungsgeld für scharfe Attacken auf die Koalition genutzt. SPD und Grünen kritisierten die Überlegungen der schwarz-gelben Regierung, die Leistung arbeitslosen Eltern zunächst zwar auszuzahlen, dann aber auf das Arbeitslosengeld II anzurechnen. Vom Familienministerium gab es am Mittwoch keinerlei Auskünfte dazu. Vielmehr wurde auf den Gesetzentwurf verwiesen, der vor der Sommerpause vorgelegt werden soll.
Am Dienstag hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ein Machtwort gesprochen und deutlich gemacht, dass das Betreuungsgeld trotz der Kritik in den Reihen der Koalition eingeführt werden soll. Die vor allem auf Drängen der CSU vom Koalitionsausschuss vereinbarte Leistung von zunächst 100, später 150 Euro monatlich sollen Eltern erhalten, die ihre Kleinkinder selbst betreuen und nicht in eine Kita schicken. Die Koalition streitet seit Wochen darüber. Mehrere CDU-Abgeordnete haben angekündigt, gegen das Vorhaben zu stimmen. Auch die FDP ist gegen das Vorhaben, würde es aber aus Koalitionsräson mittragen.
Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) hatte in Aussicht gestellt, die Rentenleistungen für Eltern zu erhöhen, deren Kinder vor 1992 geboren wurden. Bislang bekommen diese Eltern zwei Jahre weniger als Erziehungsleistungen angerechnet. Besonders die Frauen in der Unionsfraktion fordern schon lange eine solche Gleichstellung. Sie gelten als besonders hartnäckige interne Kritiker des Betreuungsgeldes.
SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles wertete die geplante Verrechnung des Betreuungsgeldes mit Hartz-IV-Bezügen als „letzten Beweis“ für die Überflüssigkeit dieser Leistung. Eine arbeitslose Mutter ohne Kita-Platz gehe leer aus und „eine gut situierte Managerfrau bekommt es“, kritisierte Nahles am Mittwoch im ARD-„Morgenmagazin“. CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt hatte sich am Dienstag positiv zu einer solchen Anrechnung geäußert.
SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann sagte, er freue sich, dass „sich Merkel eindeutig für das Betreuungsgeld positioniert hat“. Das erleichtere die Arbeit der Opposition. Zu dem Kauder-Vorschlag erklärte der SPD-Politiker, „das falsche Betreuungsgeld werde nicht dadurch richtig, dass man ihm falsche Sachen zur Seite stellt“. Die SPD werde die Leistung für die Kindererziehung daheim auf jeden Fall im Bundesrat ablehnen.
Die parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, Steffi Lemke, bemängelte, der Plan, Hartz-IV-Empfänger beim Betreuungsgeld außen vor zu lassen, richte sich gegen „die, die sich nicht wehren können“. Die Bundesregierung mache damit Politik zum Beispiel gegen alleinerziehende Mütter, die auf Hartz IV angewiesen seien. Der Plan zeige, dass es beim Betreuungsgeld „ausschließlich um Klientelpolitik“ gehe und nicht etwa um ein gleichberechtigtes Nebeneinander verschiedener Betreuungsformen.
Auch der Chef der CDU/CSU-Mittelstandsvereinigung, Josef Schlarmann, bezeichnete das Betreuungsgeld in der „Bild“-Zeitung als „völlig falschen Ansatz“. Deutschland brauche „ein breit angelegtes Betreuungsangebot, damit jede Frau entscheiden kann, ob sie ihr Kind selbst betreut oder in die Kita gibt“.
Zugleich wies der CDU-Politiker den Kauder-Vorstoß zurück. „Ein politisches Problem dadurch zu lösen, dass man auf eine umstrittene Sozialleistung eine weitere draufsattelt, ist schon aus haushaltspolitischen Gründen nicht zu verantworten“, sagte er.
Die stellvertretende Vorsitzende der Linken, Katja Kipping übte ebenfalls scharfe Kritik: „Union und FDP können sich offenbar nur auf Kosten der Ärmsten einigen.“ Schwarz-Gelb gebe Milliarden aus und lasse ausgerechnet diejenigen außen vor, „die den Sozialstaat am dringendsten brauchen. Eine Kita-Fernhalte-Prämie für Gutverdienende ist das letzte, was dieses Land braucht“.
In einer Umfrage des Magazins „Stern“ und des Fernsehsenders RTL positionieren sich 60 Prozent der Bevölkerung gegen das geplante Betreuungsgeld. 36 Prozent sind dafür. Frauen (39 Prozent dafür) würden die Einführung der Prämie eher begrüßen als Männer (34 Prozent dafür).