Ob Quelle-Rettung, schwarz-grüne Koalitionen oder Steuersenkungen - der Senkrechtstarter der CSU und sein Parteichef und Ministerpräsident liegen immer öfter quer.
Berlin. Undank ist der Welt Lohn. Das mag sich auch CSU-Chef Horst Seehofer sagen, wenn er nach Berlin blickt. Genauer gesagt auf den Bundeswirtschaftsminister, dem er vor vier Monaten noch selbst die Steigbügel gehalten hat.
Tatsächlich ist das Verhältnis zwischen Seehofer und Karl-Theodor zu Guttenberg in diesen Tagen drastisch abgekühlt. Äußerer Anlass ist das insolvente Traditionsunternehmen Quelle, dem Seehofer als bayerischer Ministerpräsident unbedingt mit einer Bund/Länder-Bürgschaft unter die Arme greifen will. Die sei "in Aussicht genommen", verkündete Seehofer am vergangenen Sonnabend zuversichtlich. Aber schon beim Frühstück war der Optimismus dahin. Aus der Zeitung musste Seehofer nämlich entnehmen, dass sein Protegé durchaus gewillt war, ihm in Berlin Schwierigkeiten zu machen. In dem Interview, das zu Guttenberg "Bild am Sonntag" gegeben hatte, hieß es klipp und klar, Staatsbürgschaften sollten nicht nach "isoliert regionalen Kriterien, sondern nach objektiven Vorgaben" vergeben werden.
Man braucht nicht viel Fantasie, um sich vorzustellen, wie die Stimmung im Hause Seehofer anschließend gewesen ist. Selbst am Dienstagmorgen, in der Kabinettssitzung, war Seehofers Wut auf zu Guttenberg noch nicht verraucht.
Horst Seehofer hat für Quelle viel riskiert. Schon Anfang Juni, als er dem Versandhaus - im Vorfeld der Europawahl - Rettung versprach. Gestern hat er den 500 Mitarbeitern des Quelle-Vertriebszentrums in Nürnberg zugerufen, sie könnten sich auf ihn verlassen: "Wir stehen zusammen und tun das Menschenmögliche!" Dafür haben sie ihn gefeiert. Und Quelle-Geschäftsführer Konrad Hilbers sprach für alle, als er erklärte, man sei dem Ministerpräsidenten "zu großem Dank" dafür verpflichtet, dass er sich "den politischen Hut aufgesetzt" habe, "um eine Lösung für Quelle hinzubekommen". Man werde den neuen Katalog deshalb den "Seehofer-Erinnerungskatalog" nennen!
Dieser Katalog ist inzwischen in Gütersloh angedruckt worden, weil das angeschlagene Unternehmen mit einem für Druck und Versand benötigten sogenannten Massekredit über 50 Millionen Euro rechnet. Das Land Bayern hat bereits 21 Millionen Euro zugesagt, vier Millionen Euro kommen aus Sachsen. "Wir haben allen Anlass zu glauben, dass gestern in Berlin die andere Hälfte dem Grunde nach entschieden worden ist und nur noch einige Details abzuklären sind", hat Seehofer gestern in Nürnberg verkündet. Damit hat er sich weit aus dem Fenster gelehnt, denn das sah der Bundeswirtschaftsminister gestern etwas anders. Ein Massekredit "könne" eine Option sein, erklärte Karl-Theodor zu Guttenberg kühl in Berlin. Er fügte hinzu, dafür müsse es aber Sicherheiten geben, und diese würden derzeit von der Bundesregierung geprüft.
Zu Guttenberg ließ offen, wann es eine Entscheidung geben wird.
Quelle-Insolvenzverwalter Klaus Hubert Görg hat gestern in Nürnberg gemeint, die Bundesregierung habe "vielleicht an einigen Ecken Kommunikationsschwierigkeiten". Möglicherweise. Garantiert gibt es Kommunikationsschwierigkeiten zwischen dem Bundeswirtschaftsministerium und der Münchner Staatskanzlei. Obwohl man dort eisern behauptet, das Verhältnis zwischen Seehofer und zu Guttenberg sei "gut".
Tatsache ist: Die Herren haben sich deutlich auseinandergelebt. Vier Monate haben dem smarten Baron in Berlin zur Emanzipation von seinem Mentor gereicht. Anders als seine CSU-Kabinettskollegin Ilse Aigner, die das Landwirtschaftsressort im Sinne ihres Münchner Meisters verwaltet, tut "KaTe", wie ihn seine Freunde nennen, inzwischen das, was er für richtig hält. So hat er eine Debatte über schwarz-grüne Koalitionen angestoßen, von denen Seehofer "überhaupt nichts" hält. Und erklärt, dass es "sehr klug" sei, kein Datum für Steuersenkungen im Unionswahlprogramm zu nennen. Was Seehofer völlig anders sieht. Man darf gespannt sein, wie das im Vorfeld der Bundestagswahl weitergeht. Dass zu Guttenberg Spaß an seiner Aufgabe gefunden hat, steht außer Zweifel. Dass er die Unterstützung Seehofers braucht, wenn er über den 27. September in Berlin Minister bleiben will, auch.