Äpfel, Birnen, Kartoffeln, Hundefutter und Kinokarten gibt es zum ermäßigten Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent. Wie lange noch?
Hamburg. Günther Oettinger will es, Otto Bernhard will es, Ronald Pofall auf keinen Fall und Volker Kauder auch nicht. Wenige Tage bevor CDU und CSU am Sonntag in Berlin ihr 62 Seiten starkes Wahlporgamm verabschieden werden, geht es hin und her. Steuererleichterungen ja, Steuererhöhungen nein oder doch die Mehrwertsteuer erhöhen oder nur vielleicht.
Nachdem schon der CDU-Finanzexperte Bernhardt den ermäßigten Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent als Erhöhungs-Potential ins Visier genommen hatte, und dafür von den CDU-Oberen gerüffelt worden war, legte nun Baden-Württembergs Ministerpräsident Oettinger nach. In der "Süddeutschen Zeitung" schlug er eine Erhöung auf 9,5 Prozent vor. Das würde bedeuten Lebensmittel, Bücher, Zeitungen, Bustickets und Kinokarten würden auf einen Schlag teurer. Alles das, was bei der Erhöhung des normalen Mehrwertsteuersatzes von 16 auf 19 Prozent ausgenommen worden war. Als "sozial ausgewogen" wurde das damals von der Regierung bezeichnet, weil die Erhöhung nicht die Güter des täglichen Lebens treffen sollte. Oettinger begründete seinen Vorstoß "historisch". So gesehen habe der ermäßigte Satz in der Regel meistens die Häfte des vollen Mehrwertsteuersatzes betragen.
Vom Unionsfraktionschef Kauder handelte sich Oettinger dafür das Etikett "unsäglich" ein. „Ich sage es in aller Deutlichkeit: Steuererhöhungen jeglicher Art schließen wir aus“, sagte Kauder der „Rheinischen Post". „Wer in der Union Führungsverantwortung hat, sollte diese jetzt auch wahrnehmen, statt durch zusammenhanglose Interview-Äußerungen oder Einzelmeinungen Verwirrung zu stiften", sagte Kauder und fügte wahlkampfkompatibel hinzu:. „Durch Steuererhöhung entsteht keine Dynamik und kein Wachstum, sondern das glatte Gegenteil.“ Nötig sei vielmehr ein Mix aus Zukunftsinvestitionen und Entlastungen, um durch Wachstum den Staatshaushalt wieder zu sanieren.
Auch CDU-Generalsekretär Roland Pofalla versuchte erneut schon fast verzeifelt die Debatte um die Steuererhöhung zu ersticken. Schließlich steht im Wahlporgramm etwas von Steuererleichterungen. Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg ließ sich hingegen noch eine Tür offen. Es sei „ein tiefer Griff in die Mottenkiste“, über Steuererhöhungen zu räsonieren. Dies sei „das völlig falsche Signal zu dieser Zeit“. Allerdings würde er an ermäßigte Steuersätze im Rahmen einer Strukturreform der Mehrwertsteuer auch durchaus herangehen. Eine solche Reform müsse aber Sinn machen, sagte er.
Die FDP, Wunschkoalitionspartner der Union nach der Bundestagswahl am 27. September, mit Hang zu allergischen Reaktionen bei dem Wort Steuererhöhung, forderte Kanzlerin Angela Merkel zu einem Machtwort auf. Die Debatte über Steuererhöhungen müsse in der CDU „unverzüglich“ beendet werden, verlangte der FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle am Freitag in Berlin. Die Union verunsichere Wirtschaft und Verbraucher. „Schwarz-Gelb steht für ein faires Steuersystem und nicht für immer höhere Belastungen der Bürger.“