Die schlimmste Rezession seit Jahrzehnten lässt die Steuereinnahmen dramatisch einbrechen. Allein der Bund wird neue Schulden in Höhe von 50 Milliarden Euro machen. Damit überbietet Finanzminister Peer Steinbrück die bisherige Höchstmarke von Theo Waigel (CSU) aus dem Jahr 1996.
Berlin. Die schlimmste Rezession seit Jahrzehnten reißt ein riesiges Loch in die Staatskasse. Bund, Länder und Kommunen müssen bis 2013 mit 316 Milliarden Euro weniger auskommen als noch im November angenommen. Dies ergab am Donnerstag die Steuerschätzung.
Alss Reaktion kündigte Steinbrück an, er werde bis Ende Mai einen weiteren Nachtragshaushalt vorlegen. Die Neuverschuldung werde im kommenden Jahr auf rund 90 Milliarden Euro steigen, sagte der SPD-Politiker. Allein dieses Jahr werden die Steuereinnahmen um 45 Milliarden Euro niedriger ausfallen als gedacht. Für den Bund beträgt das Minus 21,5 Milliarden Euro. Die Länder müssen mit Gesamteinbußen von 16,5 Milliarden Euro rechnen, die Gemeinden mit einem Minus von 7,6 Milliarden Euro.
Weiter ergab die Steuerschätzung, dass 2010 knapp 85 Milliarden Euro im Vergleich zur Steuerschätzung vor einem Jahr fehlen werden. Davon entfallen auf den Bund 41,1 Milliarden Euro. Aber auch in den Folgejahren sieht es düster aus: 2011 sollen die Steuereinnahmen für den Gesamtstaat um 93,4 Milliarden Euro einbrechen und 2012 um 93,2 Milliarden Euro.
Finanzminister Peer Steinbrück sprach von „bedrückenden Zahlen“ undsagte mit Blick auf diese düsteren Aussichten, der Abbau der hohen Neuverschuldung sei nun die zentrale Aufgabe für die Jahre 2010 bis 2013. Die Steuersenkungsversprechen der Union und FDP seien vor diesem Hintergrund „schlicht und einfach eine Täuschung der Wählerschaft“, sagte er der „Passauer Neuen Presse“. Dass Steuersenkungen unrealistisch seien, wüssten alle Beteiligten, betonte der stellvertretende SPD-Vorsitzende. Daraus erkläre sich auch letztlich der Wirrwarr der Debatte in der Union.
CSU-Chef Horst Seehofer warnte hingegen davor, nun in „Schockstarre“ zu verfallen: Steuer- und Abgabensenkungen seien trotz Abschwung angezeigt, um wieder Wachstum anzuregen. Er erklärte, eine Entlastung „der Leistungsträger, der Familien und des Mittelstands“ bei Steuern und Abgaben müsse ganz oben auf der politischen Agenda bleiben. „Wir werden hier nicht locker lassen, um in der nächsten Legislaturperiode zu weiteren substanziellen Verbesserungen bei der Einkommens- und Lohnsteuer zu kommen“, erklärte er.
Dem widersprach der SPD-Finanzexperte Joachim Poß energisch. Finanzielle Spielräume des Staates über das bisherige hinaus seien nun auf absehbare Zeit weggeschmolzen. „Weitreichende Steuersenkungsvorstellungen ohne Gegenfinanzierung, wie sie FDP, CSU und – jetzt auch mit Billigung von Frau Merkel – die CDU für die nächsten Jahre fest anstreben, sind reine Wahlkampfgebilde.“
Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) bekräftigte dennoch die Option von Steuersenkungen. Es sei wichtig, nun nicht zu verzagen, sondern Wachstumskräfte und damit steigende Steuereinnahmen auszulösen.
Der SPD-Haushaltsexperte Carsten Schneider, stellte fest: „Für den Bundeshaushalt ist das nicht nur eine Delle, sondern ein richtiger Absturz. Ich gehe davon aus, dass wir 2009 und 2010 80 bis 90 Milliarden Euro Kreditaufnahme brauchen.“ Die Einnahmeseite werde aber mit Steuersenkungen nicht zu konsolidieren sein.
Der Vorsitzende des Haushaltsausschusses im Bundestag, Otto Fricke (FDP), warf der Regierung im NDR vor, „drei fette Jahre vertan“ zu haben. Die FDP bleibe trotz der Einbrüche bei den Einnahmen dabei, dass ein niedriges, einfaches und gerechtes Steuersystem dringend nötig sei. Die FDP habe in diesem Jahr 400 Vorschläge vorgelegt, die einen Betrag von zwölf Milliarden Euro einsparen würden. Der Staat müsse an die Subventionen ran. Er verwies auf das „elende Beispiel“ Steinkohle.