Die Klage Bayerns vor dem Bundesverfassungsgericht ficht Hamburgs Bürgermeister Scholz nicht an. Er setzt weiter auf eine Verhandlungslösung.
Hamburg/München/Berlin. Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) will ungeachtet der von Bayern beschlossenen Verfassungsklage gegen den Länderfinanzausgleich weiter nach einer Verhandlungslösung suchen. „Ich setze auf eine politische Verständigung und verfolge deshalb eine Lösung auf dem Verhandlungsweg“, erklärte Scholz am Dienstag. Das entspreche auch der Verständigung, die Ende Juni zwischen den Ministerpräsidenten getroffen wurde: „Hamburg hat den Auftrag, einen Vorschlag zum Verfahren und zu Inhalten sowie einen Zeitplan für die Verhandlungen zu erarbeiten. Wir gehen davon aus, dass dies weiterhin gilt“, betonte der Bürgermeister.
Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) verteidigte dagegen den Beschluss seines Kabinetts vom Dienstag. Die Gespräche seien gescheitert, sagte er in München. Bayern habe keine andere Wahl gehabt, als nun zu klagen. „Es geht um die Wahrung bayerischer Interessen, es geht um den Schutz bayerischer Steuergelder. Wir sind bereit zur Solidarität, aber der Umfang der Solidarität muss gerecht gestaltet werden.“ Aus der Mehrzahl der anderen Bundesländer sei ihm signalisiert worden, dass sich vor Ende dieses Jahrzehnts nichts ändern solle. „Und dann muss ich abwägen, was meiner Verantwortung entspricht. Wir zahlen jetzt in einem Jahr mehr als wir in früheren Jahrzehnten in 40 Jahren zusammen genommen erhalten haben.“
Hamburg zählt wie Bayern, Baden-Württemberg und Hessen zu den Geberländern. Die Hansestadt habe seit 1950 preisbereinigt ungefähr die Summe eingezahlt, „die heute der aktuellen Verschuldung unseres Bundeslandes entspricht“, sagte Scholz. Trotzdem sei Hamburg für einen solidarischen Finanzausgleich. Der Mai-Steuerschätzung zufolge wird die Hansestadt in diesem und im nächsten Jahr rund 320 Millionen Euro einzahlen. „In Hamburg werden fast 49 Milliarden Euro an Steuern und Zöllen erhoben“, sagte Scholz. Als Steuereinnahmen blieben aber nur achteinhalb Milliarden im Hamburger Haushalt. „Daran sieht man, dass die Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern und unter den Bundesländern weit komplexer sind, als es die Debatte um den Länderfinanzausgleich vermuten lässt“, erklärte Scholz.
+++Seehofer und Stoiber: Selbstlob statt Attacke+++
Auf Verständnis stieß Seehofer mit seiner Klage bei der Hamburger CDU-Opposition. „Die Klage Bayerns ist in einem gewissen Maße nachvollziehbar. Zwar hat das Land bis 1986 selbst Geld empfangen - seitdem sind die Zahlungen an die Nehmerländer aber drastisch von 33 Millionen auf 3,7 Milliarden Euro angestiegen“, sagte der CDU-Haushaltsexperte in der Bürgerschaft, Roland Heintze. Der Länderfinanzausgleich müsse überarbeitet werden. Für Hamburg entscheidend sei dabei, dass der „Stadtstaatenbonus“ erhalten bleibt. „Schließlich haben wir (...) eine besondere Situation mit vielen Einpendlern, die zwar die Infrastruktur der Stadt nutzen, aber einen Großteil ihrer Steuern in Niedersachsen, Schleswig-Holstein oder Mecklenburg-Vorpommern zahlen.“
Finanzausgleich "belohnt politisches Nichtstun“
Der bayerische Wirtschaftsminister Martin Zeil (FDP) kritisierte das derzeitige System als intransparent, ungerecht und leistungsfeindlich. Andere Länder leisteten sich mit dem Geld Dinge, die der Freistaat sich verkneife. Mit einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts sei frühestens 2014 zu rechnen.
Finanzminister Markus Söder (CSU) betonte: "Es geht hier nicht um Freibier für alle, sondern es geht um ein gerechtes Finanzsystem.“ Nach dem derzeitigen System schätzt er die Zahlungen Bayerns allein für die nächsten beiden Jahre auf zusammen 8,2 Milliarden Euro. Damit seien knapp zehn Prozent des gesamten Haushalts für den Finanzausgleich reserviert. In diesem Jahr liege der Beitrag bei knapp 3,7 Milliarden Euro. Damit zahle Bayern mehr als die Hälfte der Gesamtsumme.
"Absolut unseriös“
SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier griff den bayerischen Ministerpräsidenten scharf an: "Horst Seehofers Attacke gegen die föderale Solidarität ist absolut unseriös“, sagte er in Berlin und sprach von einem "durchsichtigen Manöver im bayerischen Vorwahlkampf“. Der Fraktionsvorsitzende der Grünen, Jürgen Trittin, warf dem CSU-Chef "billigsten Populismus“ vor. Wenn Seehofer anderen die Solidarität wegnehmen wolle, von der Bayern fast 40 Jahre profitiert habe, sei dies unverschämt.
Als "Bruch mit einem Grundgedanken unserer Verfassung“ wertete Linke-Bundesgeschäftsführer Matthias Höhn die geplante Klage. Vor allem die ostdeutschen Länder seien auf die Unterstützung durch den Finanzausgleich angewiesen, sonst drohe dort weiterer Sozialabbau.
+++Seehofer und Stoiber: Selbstlob statt Attacke+++
Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Rainer Haseloff (CDU) forderte Bayern zur Vertragstreue auf. "Bis 2019 bestehen klare Vereinbarungen und Rahmenbedingungen, sodass es hier keine Verhandlungsspielräume gibt“, sagte er der Zeitung "Die Welt“. Brandenburgs Finanzminister Helmuth Markov (Linke) warf Bayern Verantwortungslosigkeit vor: "Entsolidarisierung wird letztlich für arme wie reiche Länder sehr viel teurer.“
Kretschmann will Aussichten prüfen
Niedersachsens Finanzminister Hartmut Möllring (CDU) räumt der Klage zwar keine großen Chancen ein, zeigte aber Verständnis dafür. Es sei in der Bevölkerung schwer vermittelbar, Milliardenbeträge zahlen zu müssen, während Nehmerländer wie Berlin diese kassierten und dann kostenlose Kindergärten anböten.
Hessens Vize-Ministerpräsident Jörg-Uwe Hahn (FDP) mahnte eine gerechte Regelung an. Bisher sei ihm aber nicht bekannt, dass die Nehmerländer die Verhandlungen aufgekündigt hätten. "Sollte dies aber der Fall sein, werden wir gemeinsam mit Bayern den Weg der Klage beschreiten“, kündigte er an.
Baden-Württemberg hält sich laut Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) eine Klage zwar offen, will aber zunächst die Erfolgsaussichten einer Verfassungsbeschwerde prüfen. Der Grünen-Politiker plädierte dafür, die Verhandlungen mit den Nehmerländern weiter voranzutreiben. (dpa, dapd, abendblatt.de)