Ungerechte Lastenverteilung? “Dann klage ich eben“, so der Ministerpräsident. Der Freistaat wird das wohl in die Tat umsetzen.
München. Jetzt ist Horst Seehofer endgültig der Kragen geplatzt. Der bayerische Ministerpräsident saß am vorletzten Freitag mit mehreren anderen Regierungschefs in Berlin zusammen, wollte Chancen auf eine einvernehmliche Reform des Länderfinanzausgleichs ausloten – und biss auf Granit. Man sehe keinen Bedarf für schnelle Korrekturen, wurde dem wahlkämpfenden Bayern-Regenten da nach Angaben aus Teilnehmerkreisen signalisiert. Seehofer kündigte daraufhin kurz und knapp an: „Dann klage ich eben.“
Dieses „Dann klage ich eben“ wird der Freistaat an diesem Dienstag nun wohl in die Tat umsetzen. Das kündigte Seehofer vergangene Woche nach einer Klausur seines Kabinetts bereits durch die Blume an – und das bestätigte er am Wochenende in der ARD noch einmal, schon etwas weniger durch die Blume. Dass er gegen den Finanzausgleich klagen wolle sei „jedenfalls nicht falsch“, sagte er. Und der CSU-Chef fügte hinzu: „Wir haben jetzt lange geredet unter den Ministerpräsidenten, und für mich zeichnet sich nicht ab, dass wir im Gesprächswege auf absehbare Zeit zu einer guten Lösung kommen.“
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Deshalb also wird Seehofer nun das wahr machen, womit er schon seit langem droht – zusammen mit seinem Koalitionspartner FDP, zusammen aber auch mit den beiden anderen großen Geberländern Hessen und Baden-Württemberg. Und auch Seehofers Stellvertreter Martin Zeil (FDP) betont vor der Kabinettsentscheidung ganz unmissverständlich, die Klage vor dem Bundesverfassungsgericht sei überfällig: „Der Worte sind nun genug gewechselt.“
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Was Bayern, aber auch Hessen und Baden-Württemberg, nicht passt, ist die ihrer Ansicht nach mittlerweile völlig ungerechte Lastenverteilung beim Länderfinanzausgleich. Tatsächlich standen den vier Geberländern – darunter als vierter Zahler die Hansestadt Hamburg – im Jahr 2011 nunmehr zwölf Nehmerländer gegenüber.
Umverteilt wurden im vergangenen Jahr insgesamt 7,308 Milliarden Euro. Am meisten musste Bayern bluten – mit 3,66 Milliarden Euro. Hessen folgte mit rund 1,8 Milliarden Euro, dann Baden-Württemberg mit 1,78 Milliarden Euro. Hamburg war noch mit 62 Millionen Euro mit dabei. Größter Empfänger war Berlin mit mehr als 3 Milliarden Euro. Und das ist auch ein Hinweis, den die Bayern niemals vergessen, wenn über den Länderfinanzausgleich diskutiert und gestritten wird: dass der Freistaat mittlerweile die Hälfte des gesamte Ausgleichs stemmen muss und dass Berlin auf der anderen Seite knapp die Hälfte bekommt.
Konkret kritisieren Seehofer & Co. unter anderem, dass sich Nehmerländer sozusagen mit dem bayerischen Geld Dinge leisteten, die Bayern selbst seinen Bürgern vorenthalte: den Verzicht auf Studiengebühren beispielsweise oder kostenfreie Kindergärten. Und trotzdem würden dort dann noch Schulden gemacht. „Das Geld aus Bayern mit leeren Händen auszugeben und trotzdem noch neue Schulden zu machen, das kann und darf so nicht weitergehen“, betont Zeil.
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Die Geberländer stoßen sich zudem daran, dass zusätzliche Steuereinnahmen, die ein Land erzielt, über den Finanzausgleich abgeschöpft werden. So hätten die Nehmer gar keinen Anreiz, sich mehr anzustrengen. Kritik gibt es auch an „Privilegien“ der Stadtstaaten.
Bayern – übrigens einst viele Jahr lang selbst ein Nehmerland - wird also nun wohl klagen. Die nahe Landtagswahl im Herbst 2013, bei der Seehofer mit dem Münchner OB Christian Ude (SPD) einen sehr ernstzunehmenden Gegner hat, dürfte das Verfahren wohl beschleunigen. Sieht die CSU darin doch eine Chance, im Wahlkampf zu punkten – ganz nach dem Motto: Seht her, liebe Bayern, wir kämpfen für euer Geld. Unklar blieb bis Montag nur, ob Hessen und Baden-Württemberg mitziehen. Der Stuttgarter Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) will aber wohl vorläufig weiterhin auf eine Verhandlungslösung setzen.
Die SPD erinnert derweil genüsslich daran, dass Ex-Regierungschef Edmund Stoiber (CSU) den Finanzausgleich einst mit ausgehandelt und als Meisterstück bayerischer Politik gepriesen habe. Und auch Seehofer habe „dem CSU-Fehler beim Länderfinanzausgleich“ zugestimmt. Die CSU klage nun also vorrangig gegen „ihr eigenes Unvermögen“.
Hessen erwägt Klage gegen Länderfinanzausgleich erst nach Jahresende
. Hessen will den Klageweg gegen den Länderfinanzausgleich erst gehen, wenn bis Ende des Jahres keine Verhandlungslösung mit den Nehmerländern erreicht worden ist. In Bayern sei die Verfassungsklage ja noch nicht beschlossen, daher könne er auch noch nichts bewerten, sagte ein Sprecher des Finanzministeriums am Montag. Die Belastungen für die drei Geberländer Hessen, Bayern und Baden-Württemberg seien aber kaum noch verkraftbar, betonte er.
Mit einer Neuordnung des Finanzausgleichs müssten mehr Anreizmechanismen für die Nehmerländer geschaffen und eine Entlastung der Geber erreicht werden.
Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) hatte am Sonntag im ARD-„Sommerinterview“ zu den Klage-Gerüchten gesagt: „Es ist jedenfalls nicht falsch.“ Das bayerische Kabinett will am Dienstag über das weitere Vorgehen entscheiden.
(dpa)