Bayern will als das größte Geberland klagen. Der Norden reagiert darauf empört. Hamburg zahlte zuletzt rund 62 Millionen Euro ein.
Berlin. Anfang Februar erlaubte sich der bayerische Finanzminister Markus Söder einen kleinen Spaß. Der CSU-Politiker erschien zur Prunksitzung des Fränkischen Fastnachtsverbandes verkleidet als Punk. Mit rotem Irokesenschnitt, Nietenhalsband und einem markanten Spruch auf dem T-Shirt: Hast Du mal nen Euro? "Ich gehe als wandelnder Länderfinanzausgleich. Als Hinweis an Berlin, dass Bayern nicht immer nur zahlen will", feixte Söder in die Kameras.
Die Pointe hatte somit ihren tieferen Kern - denn Bayern ist Spitzenzahler unter den Bundesländern. Mit 3,66 Milliarden Euro kam 2011 von dort die Hälfte der bundesweit umverteilten Mittel. Hessen belegte mit 1,8 Milliarden Euro Platz zwei, danach folgte Baden-Württemberg mit 1,77 Milliarden Euro. Hamburg ist das kleinste der vier Geberländer und zahlte zuletzt rund 62 Millionen Euro ein. Größter Nutznießer ist dagegen seit Jahren Berlin. Im vergangenen Jahr erhielt die Hauptstadt mehr als drei Milliarden Euro. Sachsen ist mit 918 Millionen Euro zweitgrößter Nettoempfänger, gefolgt von Sachsen-Anhalt und Thüringen.
+++ Finanzen: Norden reagiert empört auf Bayerns Drohung +++
Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer ist diese Methode des verpflichtenden Gebens und Nehmens schon lange ein Dorn im Auge. Jetzt will der CSU-Chef umsetzen, womit er seit Längerem droht: Er will vor dem Bundesverfassungsgericht gegen den Länderfinanzausgleich klagen und diesen Schritt heute mit seinem Kabinett abstimmen. "Wir haben jetzt lange geredet unter den Ministerpräsidenten, und für mich zeichnet sich nicht ab, dass wir im Gesprächswege auf absehbare Zeit zu einer guten Lösung kommen", sagte er der ARD.
Auch sein Stellvertreter Martin Zeil (FDP) betonte vor der Kabinettsentscheidung ganz unmissverständlich, die Klage sei überfällig: "Der Worte sind nun genug gewechselt." Besonders stößt den Bayern übel auf, dass sich Nehmerländer sozusagen mit dem bayerischen Geld Dinge leisteten, die Bayern selbst seinen Bürgern vorenthalte: den Verzicht auf Studiengebühren etwa oder kostenfreie Kindergärten. Zudem mokieren sich die Geber darüber, dass zusätzliche Steuereinnahmen über den Finanzausgleich abgeschöpft werden. So hätten die Nehmer gar keinen Anreiz, sich anzustrengen.
Aus dem Norden kommt Protest. "Ich habe überhaupt kein Verständnis für eine solche Klage. Herr Seehofer setzt im Vorfeld der Landtagswahl in Bayern wieder einmal auf Spaltung statt auf Gemeinsamkeit in Deutschland", schimpfte Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD). Er wies darauf hin, dass Bayern fast 40 Jahre vom Länderfinanzausgleich profitiert habe. "Ich finde es unmöglich, wenn nun ausgerechnet dieses Land die Solidarität in Deutschland infrage stellt und die bis 2019 fest vereinbarten Regelungen aufkündigen will", so der Schweriner Regierungschef. "Das belastet auch die Gespräche darüber, wie es nach dem Auslaufen des jetzigen Länderfinanzausgleichs weitergehen soll." Natürlich hätten Geber- und Nehmerländer dabei unterschiedliche Interessen. "Ein fairer Ausgleich wird aber nur in konstruktiven Gesprächen zu finden sein."
+++ Seehofer wird nervös +++
Tatsächlich gehörte Bayern über Jahrzehnte zu den Nehmerländern. Durchgehend bis 1986 und nochmals 1992 erhielt der Freistaat Finanzhilfe und profitierte in Milliardenhöhe vom föderalen Solidarsystem. Aber: Der Freistaat muss inzwischen pro Jahr mehr an die Länder abgeben, als er in besagten fast 40 Jahren insgesamt empfangen hat. In der Geschichte der Bundesrepublik ist allerdings Baden-Württemberg bis dato der größte Einzahler gewesen. Rund 50 Milliarden Euro flossen aus Stuttgart in die anderen Länderkassen.
Berlin erhielt mit mehr als 45 Milliarden Euro bisher die größte Summe aller Länder. Aber auch die vergleichsweise bescheidenen rund 400 Millionen Euro, die zuletzt nach Mecklenburg-Vorpommern flossen, werden hier dringend gebraucht. Der Betrag entspreche in etwa den Ausgaben des Landes für die Hochschulen, inklusive der Bau- und Instandhaltungsmaßnahmen, hieß es in der Schweriner Staatskanzlei.
In Bremen kam man zu dem Schluss: Sollte der Stadtstaat auf die rund 500 Millionen Euro aus dem Finanzausgleich verzichten müssen, dann stünde die Finanzierung aller Schulen und Kindergärten auf dem Spiel. "Bremen hat grundgesetzlich einen Anspruch auf Konsolidierungshilfe. Wenn der jetzige Länderfinanzausgleich zum Nachteil Bremens verändert wird, dann ist dies ein Bruch bestehender Vereinbarungen", sagte Bremens Bürgermeister Jens Böhrnsen dem Abendblatt.
Schleswig-Holstein gehört ebenfalls zu den traditionellen Nehmerländern. Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) hatte bereits am Sonntag gesagt, dass er der Klage mit "großer Gelassenheit" entgegensehe. Niedersachsens Ministerpräsident David McAllister (CDU) wagte Bayerns Vorstoß nicht zu beurteilen: "Es gibt nun einmal unterschiedliche Auffassungen zwischen den drei süddeutschen Ländern und den anderen Ländern. Wichtig ist, dass wir im Gespräch bleiben."
Hamburg kann sich bei der bestehenden Regelung darauf einstellen, in den kommenden Jahren mehr als bisher einzahlen zu müssen: Wie aus der Steuerschätzung von Mai 2012 hervorgeht, muss die Hansestadt in diesem Jahr voraussichtlich sogar 160 Millionen Euro zahlen. 2013 wären es sogar schon 165 Millionen Euro.