Das schwarz-gelbe Kabinett in München hat sich darauf verständigt, noch in diesem Jahr das Verfassungsgericht anzurufen.

Berlin/München. SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier hat den bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer (CSU) wegen der angekündigten Klage gegen den Länderfinanzausgleich scharf kritisiert. "Horst Seehofers Attacke gegen die föderale Solidarität ist absolut unseriös“, sagte Steinmeier am Dienstag in Berlin und sprach von einem "durchsichtigen Manöver im bayerischen Vorwahlkampf“.

Die historisch niedrigen Umfragewerte der CSU weckten dort nicht nur die Angst vor dem Machtverlust, sondern schwächten offenbar auch das Gedächtnis des bayrischen Ministerpräsidenten. Schließlich habe Bayern unter dem damaligen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber (CSU) der heute gültigen Regelung nicht nur zugestimmt, "sondern war hochzufrieden mit dem gefundenen Kompromiss“. Auch Seehofer habe im Bundestag dafür votiert. An all das wolle sich der CSU-Chef nun nicht mehr erinnern.

Der umstrittene Länderfinanzausgleich kommt erneut auf den Prüfstand des Bundesverfassungsgerichts. Das Hauptgeberland Bayern wird in Karlsruhe klagen, weil es das System für ungerecht hält. Darauf verständigte sich das schwarz-gelbe Kabinett am Dienstag in München. Wie es aus Regierungskreisen heißt, soll die Klageschrift bis zum Herbst erstellt werden. Ziel ist es nach Angaben aus der Koalition, die Klage noch in diesem Jahr einzureichen.

Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) hatte die Klage mehrfach angedroht – zusammen mit dem Koalitionspartner FDP, aber auch mit den anderen großen Geberländern Hessen und Baden-Württemberg. "Bei aller Solidarität haben wir immer klargemacht: Ein Transfersystem, bei dem Bayern allein die Hälfte der gesamten Ausgleichssumme in ganz Deutschland zahlt, ist aus dem Ruder gelaufen und muss korrigiert werden“, sagte Seehofer der "Süddeutschen Zeitung“.

Wie es aus dem Bayerischen Finanzministerium heißt, gehe es nicht darum, den Länderfinanzausgleich abzuschaffen, sondern die Art und Weise und die Berechnung der Verteilung zu ändern. Bayern erhoffte sich dadurch Einsparungen in Höhe von einer Milliarde Euro.

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Die drei Länder hatten die Nehmerländer wiederholt zu Gesprächen über eine einvernehmliche Reform des Finanzausgleichs aufgefordert. Bayern betrachtet diese Versuche aber mittlerweile als gescheitert. In der Beschlussvorlage für die Kabinettssitzung hieß es laut "SZ“, die Klage sei nunmehr unumgänglich. Vize-Ministerpräsident Martin Zeil (FDP) betonte vorab, der Worte seien nunmehr genug gewechselt.

Bayern, Hessen und Baden-Württemberg kritisieren die ihrer Ansicht nach mittlerweile völlig ungerechte Lastenverteilung beim Länderfinanzausgleich. Tatsächlich standen den vier Geberländern - darunter als vierter Zahler die Hansestadt Hamburg – im Jahr 2011 zwölf Nehmerländer gegenüber. Umverteilt wurden im vergangenen Jahr insgesamt 7,308 Milliarden Euro – wovon allein der Freistaat 3,66 Milliarden Euro schultern musste. Größter Empfänger war im vergangenen Jahr Berlin mit mehr als 3 Milliarden Euro.

+++Länderfinanzausgleich: Bayerns Klage chancenlos+++

Seehofer hatte immer wieder beklagt, dass sich viele Nehmerländer Dinge leisten, die Bayern selbst seinen Bürgern nicht biete: den Verzicht auf Studiengebühren beispielsweise oder kostenfreie Kindergärten. Kritisiert wird zudem immer wieder, dass es im aktuellen Ausgleichssystem an Anreizen für Länder fehle, sich mehr anzustrengen – weil zusätzliche Steuereinnahmen abgeschöpft werden.

Hessen und Baden-Württemberg hatten zuletzt allerdings gezögert, nun umgehend Klage einzureichen. Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) etwa hatte die Hoffnungen auf eine Verhandlungslösung bis zuletzt noch nicht ganz aufgegeben. Die baden-württembergische FDP forderte ihn am Dienstag auf, sich nun unverzüglich der Entscheidung Bayerns anzuschließen. "Andernfalls handelt er gegen die Interessen des Landes Baden-Württemberg“, erklärte FDP-Landeschefin Birgit Homburger.

In den Nordländern hatte bereits die Ankündiung der Klage für Empörung gesorgt. Hamburgs SPD-Bundestagsabgeordneter Ingo Egloff äußerte sich dazu heute im sozialen Netzwerk Facebook: "Bayern kündigt die Solidarität im Länderfinanzausgleich auf, weil es nicht weiter andere Bundesländer unterstützen will. Dabei vergisst die bayrische Staatsregierung, dass Bayern selbst bis zur deutschen Einheit Nehmerland war", so Egloff. Der Umbau Bayerns von einem Agrarland zu einem Industriestaat sei nur möglich gewesen durch die Solidarität der anderen Bundesländer. "Übrigens Hamburg war bis auf ein Jahr immer Geberland. Wir klagen nicht", betonte Egloff.

+++Seehofer in Rage - Bayern will gegen Finanzausgleich klagen+++

Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) hat angesichts der angekündigten Klage Bayerns gegen den Länderfinanzausgleich auf das Grundgesetz verwiesen. Dort sei in Artikel 107 festgeschrieben, "dass der Grundsatz des angemessenen Ausgleichs der unterschiedlichen Finanzkraft der Länder zu berücksichtigen sei“, sagte Wowereit. "Bund und Länder haben sich 2001 auf dieses System geeinigt, das bis 2019 Gültigkeit hat“, sagte Wowereit.

Berlin sei nach 2020 zu einer Neuregelung bereit, so der Regierungschef. Dabei müsse aber der Grundsatz des Ausgleichs berücksichtigt werden. Der SPD-Politiker erinnerte daran, dass das Bundesverfassungsgericht sich in seinen bisherigen Urteilen zu den Grundsätzen des solidarischen Finanzausgleichs bekannt habe. "Dennoch steht es den Geberländern frei, die Praxis überprüfen zu lassen.“