Die obersten deutschen Richter wollen nicht übereilt über die Euro-Rettung urteilen. Sorge vor monatelanger Ungewissheit inmitten der Krise wächst.
Berlin. Nach der ersten Verhandlung über die Instrumente zur Euro-Rettung am Bundesverfassungsgericht wächst die Sorge vor monatelanger Ungewissheit inmitten der Krise. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) setzt auf möglichst rasche Beratungen der Karlsruher Richter zu Klagen gegen den künftigen Euro-Rettungsschirm ESM und den Fiskalpakt für mehr Haushaltsdisziplin. „Ich hoffe, dass sie früher (als im Herbst) entscheiden“, sagte Schäuble am Mittwoch im Deutschlandfunk. Druck übe die Bundesregierung aber nicht aus.
+++ Karlsruher Richter wehren sich gegen politischen Druck +++
+++ Kommentar: Keine Wunder aus Karlsruhe +++
Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle hatte bei der Verhandlung am Dienstag angedeutet, das Gericht könne sich für die Entscheidung in dem Eilverfahren unter Umständen mehr Zeit lassen und gleich eine erste inhaltliche Prüfung von ESM und Fiskalpakt vornehmen. Als Zeitrahmen wurden drei Monate genannt. Zunächst war eine schnelle Entscheidung im Eilverfahren erwartet worden.
Befürworter des ESM warnen, ein später Gerichtsentscheid könne zu „Verwerfungen“ auf den Märkten führen. Schäuble sagte dazu: „Keiner weiß genau, wie die Märkte reagieren werden.“ Die Euro-Zone sei „in einer außergewöhnlich kritischen Lage“. Die Ansteckungsgefahr zwischen den angeschlagenen Krisenstaaten sei hoch.
Der Haushaltsexperte der Unionsfraktion, Norbert Barthle, sagte, das Gericht könne sich selbstverständlich die Zeit nehmen, die es brauche. Andererseits dränge in Europa die Zeit. „Es brennt sozusagen die Hütte“, sagte er im Deutschlandradio Kultur. Mit Blick auf die Euro-Partner Spanien und Italien fügte der CDU-Politiker hinzu, es könnte durchaus sein, „dass, wenn drei, vier Monate vergehen, dass dann beide Länder womöglich keinen Zugang mehr zu den Kapitalmärkten hätten“. So könnten schwer beherrschbare Situationen entstehen.
Auch die Grünen hoffen auf eine baldige und positive Entscheidung zum ESM. „Das Bundesverfassungsgericht hat deutlich gemacht, dass es die negative Wirkung einer positiven Entscheidung der Eilanträge auf die Märkte sieht und deshalb wohl vermeiden will“, sagte Grünen- Fraktionsgeschäftsführer Volker Beck. Ein Scheitern der Euro- Rettungsmaßnahmen wäre mit hohen Belastungen für den Bundeshaushalt und einer tiefen Rezession verbunden. CDU-Generalsekretär Hermann Gröge sagte dem „Hamburger Abendblatt“ (Mittwoch), er vertraue auf eine kluge Entscheidung der Richter und die „klare proeuropäische Ausrichtung unseres Grundgesetzes.“
Die Kläger in Karlsruhe, darunter die Linksfraktion im Bundestag und der CSU-Abgeordnete Peter Gauweiler, sehen als Folge des ESM unkalkulierbare Risiken auf Deutschland zukommen, die vom Grundgesetz nicht gedeckt seien.
Sachsens Regierungschef Stanislaw Tillich (CDU) warnte vor Kürzungen beim Solidarpakt als Folge des ESM. „Sollte Deutschland Kapitalnachschüsse in den ESM aus dem Bundeshaushalt leisten müssen, dann darf das nicht dazu führen, dass es Einschnitte bei den bis 2019 gesetzlich zugesagten Hilfen für die ostdeutschen Länder aus dem Solidarpakt gibt“, sagte er im Landtag.
( dpa )