Euro-Rettung ist nicht nur eine formaljuristische Angelegenheit

Das Bundesverfassungsgericht genießt bei den Deutschen höchste Achtung. Einer Umfrage von "Zeit Online" zufolge haben 40 Prozent großes bis sehr großes Vertrauen in die Karlsruher Grundgesetzhüter. Quasi am anderen Ende der Vertrauensskala rangieren Bundesregierung und Parlament.

Das mag zum einen daran liegen, dass die obersten Juristen des Landes als absolut unabhängig gelten, sich in einer ganzen Reihe wichtiger Urteile diese Achtung erarbeitet haben und in ihrer staatsrechtlichen Stellung international als Vorbild gelten. Das führt gelegentlich dazu, dass von den Richtern in den roten Roben wahre Wunderdinge erwartet werden. Aktuell etwa in Sachen Euro-Rettung. In einem Eilverfahren und dann in der Hauptsache geht es um nicht weniger als die Zukunft des Euro und Europas, um Fragen, zu denen gelegentlich drei Wissenschaftler vier verschiedene Antworten parat haben, um Vertragswerke, an denen Juristen und Parlamentarier lange und hart gefeilt haben. Es geht darum, wie viele Befugnisse der Bundestag an Brüssel abgeben darf, ohne die Verfassung zu verletzten. Manche sehen gar die Demokratie in Deutschland in Gefahr - und erwarten Rettung aus Karlsruhe.

Oft übersehen wird dabei, dass die Richter auch nur von einem zwölfköpfigen Sondergremium des Bundestages und vom Bundesrat gewählt werden - also auch keine größere demokratische Legitimation genießen als gelegentlich beklagte Einrichtungen des Parlaments selbst. Und dass sie für die Folgen ihrer Urteile niemandem rechenschaftspflichtig sind. Wohl aber die Abgeordneten. Sie müssen handeln, oft unter enormem Zeitdruck über komplizierte Zusammenhänge entscheiden - und bekommen dafür die demoskopische Quittung.

Das Verfassungsgericht wird das berücksichtigen und - wie immer die Urteile am Ende konkret ausfallen werden - sich nicht auf rein formaljuristische Argumentationen beschränken, sondern der Politik genügend Gestaltungsspielraum lassen. Das wird naturgemäß nicht alle Beteiligten befriedigen können. Aber mehr darf auch vom wichtigsten deutschen Gericht nicht erwartet werden.