Ein Kredit und seine Folgen: Bundespräsident stellt die geschäftliche Beziehung zu seinem Gönner Geerkens anders dar als der Unternehmer.
Berlin. Für Christian Wulff lief am Wochenende alles nach Plan. Er hat getan, was ein Bundespräsident eben so tut - er nahm an Jubiläumsfeiern und der Aufzeichnung einer Weihnachtsshow teil. Von der Aufregung, die derzeit um seinen Privatkredit herrscht, hat er sich kaum etwas anmerken lassen. Nur ganz kurz äußerte er sich zu den Vorwürfen: "Man muss selber wissen, was man macht, und das muss man verantworten.
Und das kann ich", sagte er dem MDR. Wesentlich sei in seinem Amt, "dass man die Dinge bewertet, beurteilt und dann dazu steht und auch unterscheidet, wo ist etwas real und wo ist etwas mit sehr viel Staubaufwirbeln verbunden." Wird also nur zu viel Staub aufgewirbelt? Welche Substanz haben die Vorwürfe gegen den Bundespräsidenten? Das Abendblatt beantwortet die wichtigsten Fragen.
Wann und wie kam Wulff an den Kredit über 500 000 Euro?
Als er noch niedersächsischer Ministerpräsident war, hat sich Christian Wulff im Oktober 2008 von der Ehefrau seines guten Freundes, dem Osnabrücker Unternehmer Egon Geerkens, 500 000 Euro geliehen. Er wollte damit ein Einfamilienhaus in Großburgwedel finanzieren. Das Darlehen sollte eine Laufzeit von fünf Jahren haben und war mit einem Zinssatz von vier Prozent belegt. Im März 2010 löste Wulff es mit einem Kredit bei der BW-Bank ab.
Warum ist der Privatkredit jetzt zu einem Problem für Wulff geworden?
Zum einen soll er den Landtag nicht korrekt über seine Beziehung zum Ehepaar Geerkens informiert haben. Zum anderen ist offen, ob Wulff gegen das Niedersächsische Ministergesetz verstoßen hat, als er den Privatkredit angenommen hat. Ein Erlass vom 1. September 2009 erklärt "die Gewährung besonderer Vergünstigungen bei Privatgeschäften (z .B. zinslose oder zinsgünstige Darlehen, verbilligter Einkauf, individuelle Rabatte)" für nicht zulässig, wenn sie in Zusammenhang zum Amt des Begünstigten stehen.
Hat Wulff den Niedersächsischen Landtag im Februar 2010 getäuscht?
Es gibt Indizien, die auf diesen Verdacht hindeuten. Im Februar 2010 wollten die Grünen in Hannover vom damaligen Ministerpräsidenten wissen, ob es geschäftliche Beziehungen zwischen Wulff und Egon Geerkens gegeben habe. Auslöser war der Weihnachtsurlaub des Ehepaars Wulff in der Villa der Geerkens in Florida. Die Staatskanzlei hatte geantwortet, zwischen "Ministerpräsident Wulff und den in der Anfrage genannten Personen und Gesellschaften hat es in den letzten zehn Jahren keine geschäftlichen Beziehungen gegeben." Verschwiegen wurde das Darlehen von Edith Geerkens.
Ein juristischer Vorwurf lässt sich hieraus nicht ableiten. Auf die Frage der Grünen hat Wulff korrekt geantwortet. Jedoch hat er einen Teil der Wahrheit verschwiegen. Gleiches gilt für eine Anfrage des Magazins "Stern", auf die Wulff vor einigen Wochen mitteilen ließ, die BW-Bank aus Stuttgart "war und ist der Kreditgeber". So wurde der Eindruck erweckt, die Bank sei von Anfang an involviert gewesen. Seine Integrität wurde durch seine Aussagen massiv angezweifelt. "Ich erkenne an, dass hier ein falscher Eindruck entstehen konnte. Ich bedauere das", teilte Wulff nach tagelangem Schweigen mit.
War Edith Geerkens tatsächlich die Kreditgeberin?
Dieser Punkt ist für Wulffs Argumentation entscheidend. Denn seit dem Wochenende mehren sich Indizien, dass Edith Geerkens nur als Strohfrau gedient haben könnte und eigentlich doch Egon Geerkens derjenige war, der Wulff den Kredit zur Verfügung gestellt hat. In diesem Fall hätte Wulff dem niedersächsischen Parlament nicht nur einen Teil der Wahrheit verschwiegen, sondern tatsächlich getäuscht. So wurde einerseits der Kreditvertrag mit Edith Geerkens geschlossen und die 500 000 Euro stammen ebenfalls von ihrem Konto bei der Sparkasse Osnabrück. Jedoch sagte Egon Geerkens dem "Spiegel", er selbst habe mit Wulff verhandelt, habe die Vollmacht über das Konto seiner Frau gehabt und habe "überlegt, wie das Geschäft abgewickelt werden könnte". Seine Frau sei keine direkte Freundin von Wulff, sondern eher "familiärer Anhang".
Ganz anders liest sich Wulffs Stellungnahme: Er sei mit Edith Geerkens in "einer langjährigen und persönlichen Freundschaft" verbunden, hieß es. Sowohl Wulff als auch das Ehepaar Geerkens ließen über ihre Anwälte bekräftigen, das Darlehen stamme definitiv von Frau Geerkens.
Welche Vorteile hatte Wulff durch den Privatkredit von Geerkens?
2008 belief sich der durchschnittliche Bankzins für Wohnungsbaukredite mit bis zu fünfjähriger Zinsbindung laut Bundesbank auf 5,43 Prozent - Wulff zahlte vier Prozent. Der Kölner Finanzexperte Uwe Diekmann rechnete zudem in der "Bild am Sonntag" vor, dass der Zinssatz unter normalen Umständen noch höher hätte sein müssen, da der Kredit ohne Grundbucheintrag als Sicherheit vergeben wurde. "Ohne Sicherheiten wären acht bis zehn Prozent zu zahlen gewesen", so Diekmann.
Für den Staatsrechtler Hans Herbert von Arnim ist das ein Bruch des Niedersächsischen Ministergesetzes. "Ein Bezug zum Amt", sagte Arnim der "Welt", "ist bei dem Darlehen von Frau Geerkens aus meiner Sicht gegeben", weil ihr Mann an drei Reisen des Ministerpräsidenten teilgenommen habe, obwohl er nach "objektiven Kriterien nicht mehr in diese Delegationen" gepasst habe. Wulffs Anwälte bestritten in der "Welt am Sonntag" einen Verstoß gegen das Ministergesetz. Der entsprechende Paragraf untersage es Politikern, Geschenke in Bezug auf ihr Amt anzunehmen. "Abgesehen davon, dass hier kein ,Geschenk' vorlag, fehlte es an jeglichem Amtsbezug."
Durfte Wulff seinen Freund Geerkens auf seine Reisen mitnehmen?
Dass Politiker auf Reisen gehen und dabei von einer Delegation von Unternehmern oder Verbänden begleitet werden, ist üblich. Jedes Unternehmen kann sich etwa in Niedersachsen darum bewerben, den Ministerpräsidenten auf diesen Reisen zu begleiten. 2008 und 2009 hatte Geerkens den Ministerpräsidenten Wulff auf verschiedene Reisen begleitet, unter anderem nach Indien und China. Der Juwelier Geerkens, der sein Geld nicht nur mit Schmuck, sondern auch mit Immobilienhandel verdiente, war jedoch schon 2003 in die Schweiz gezogen. Auch soll er zur Zeit der Reisen kaum noch geschäftlich aktiv gewesen sein.
Wie hat das Ehepaar Geerkens von dem Geschäft mit Wulff profitiert?
Neben der persönlichen Freundschaft spielte für die Geerkens noch ein anderer Grund eine Rolle für den Kredit: Die Überlegung, dass vier Prozent Zinsen von den Wulffs besser seien als "drei Prozent fürs Tagesgeld" von einer Bank, sagte Unternehmer Egon Geerkens der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung".
Was kann jetzt noch auf den Bundespräsidenten zukommen?
Am Dienstag wird sich der Ältestenrat im Niedersächsischen Landtag mit den Fragen um den 500 000-Euro-Kredit beschäftigen. Das 17-köpfige Gremium wird prüfen, ob Wulff gegen geltendes Recht verstoßen hat.