SPD und Grüne in Niedersachsen verlangen vom Bundespräsidenten Details zu Urlauben. Parteienkritiker von Arnim nennt ihn “Wiederholungstäter“.
Hamburg/Berlin. In der sogenannten Kredit-Affäre setzt Bundespräsident Christian Wulff jetzt auf große Offenheit. Er bedauerte, dass er dem niedersächsischen Landtag im vergangenen Jahr nicht die ganze Wahrheit über seine Finanzbeziehungen zur Unternehmerfamilie Geerkens gesagt und den Kredit von Edith Geerkens in Höhe von 500 000 Euro verschwiegen hat. Danach war Wulff allerdings auch nicht gefragt worden. Doch der Bundespräsident baut weiteren Spekulationen vor, wie er in seiner Erklärung sagte: "Auch im Interesse der Trennung von Amt und Person werde ich die Vertragsunterlagen und weitere Papiere bei einem Anwaltsbüro hinterlegen, damit interessierte Medien sie einsehen können."
Der umstrittene und inzwischen durch ein Bankdarlehen abgelöste Privatkredit für einen Hauskauf hat für erheblichen Wirbel in Hannover und Berlin gesorgt. Während die Grünen und die SPD in Niedersachsen weitere Aufklärung über die Urlaubsreisen des ehemaligen Ministerpräsidenten Wulff forderten, gab es aus der Bundes-SPD versöhnlichere Töne. Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann begrüßte Wulffs Stellungnahme nach zwei Tagen Schweigen. "Es verdient Respekt, dass Christian Wulff seine Fehler eingesteht", sagte er. "Jeder Mensch kann Fehler machen." Wulff wolle augenscheinlich zur Aufklärung beitragen. "Das ist in seinem ureigenen Interesse." Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte, Wulff habe mit der Erklärung zur Klarheit beigetragen. "Ich glaube, dass das eine wichtige Erklärung war."
Die Bundesgeschäftsführerin der Grünen, Steffi Lemke, sagte dem Abendblatt: "Es ist sehr schade, dass der Bundespräsident erst zu einem Getriebenen werden musste, um endlich zu einer umfassenden Aufklärung der Fragen und Vorwürfe beizutragen. Das war sicher nicht förderlich für das Ansehen des Amtes, und es bleibt ein unangenehmer Beigeschmack." Lemkes Parteikollegen aus Niedersachsen fragen sich außerdem, ob Wulff nicht auch gegen das Ministergesetz verstoßen hat, wie Grünen-Fraktionschef Stefan Wenzel sagte. Dafür soll auch der Ältestenrat des Landtages eingeschaltet werden.
Wulffs Erklärung liest sich wie eine beflissene Aufklärungsschrift: Er habe die damalige Anfrage zu Geschäftsbeziehungen mit Egon Geerkens verneint und damit ehrlich beantwortet. Den Kreditvertrag mit Frau Geerkens habe er nicht erwähnt: "Keine Veranlassung". Dennoch sagte Wulff jetzt: "Ich erkenne an, dass hier ein falscher Eindruck entstehen konnte. Ich bedauere das. Es wäre besser gewesen, wenn ich auf die Anfrage der niedersächsischen Abgeordneten im Landtag über die konkreten Fragen hinaus auch diesen privaten Vertrag mit Frau Geerkens erwähnt hätte, denn in der Sache hatte und habe ich nichts zu verbergen."
Damals hatte Wulff vor dem Landtag gesagt: "Zwischen Ministerpräsident Wulff und den in der Anfrage genannten Personen und Gesellschaften hat es in den letzten zehn Jahren keine geschäftlichen Beziehungen gegeben."
+++ Leitartikel: Kredit verspielt +++
Am Donnerstag erläuterte der Bundespräsident auch die Situation, in der er sich befand. Nach der Scheidung von seiner ersten Frau hatte Wulff im März 2008 die PR-Referentin Bettina Körner geheiratet. "Meine Frau und ich haben im Zusammenhang mit dem Kauf unseres Eigenheims in Burgwedel am 25. Oktober 2008 zunächst einen Privatkredit zu einem Zinssatz von vier Prozent bei Frau Edith Geerkens aufgenommen. Zu ihr besteht eine langjährige und persönliche Freundschaft. Im Dezember 2009 - also vor den Anfragen im niedersächsischen Landtag - habe ich Gespräche mit einem Privatkundenberater der BW-Bank aufgenommen. Diese von Herrn Geerkens angeregten Gespräche führten am 21. März 2010 zur Unterzeichnung eines kurzfristigen und rollierenden Geldmarktdarlehens mit günstigerem Zinssatz als zuvor. Mit den Mitteln dieses Kreditvertrages wurde das private Darlehen zurückgezahlt. Inzwischen habe ich das Geldmarktdarlehen in ein langfristiges Bankdarlehen festgeschrieben."
Während der Bundespräsident die Angelegenheit offenbar für beendet erklärt, bohrt die Opposition in Niedersachsen weiter. Die SPD will mit einer Kleinen Anfrage wissen, wie oft Wulff von 2003 bis 2010 nach Florida oder Mallorca gereist ist. Wulff hatte seinen Weihnachtsurlaub 2009 in der Villa des Unternehmers Geerkens in Florida verbracht. Beim Flug nach Florida hatten Wulff und seine Familie von Air Berlin ein "Upgrade" von der Touristen- in die Businessclass bekommen. Die Differenz von knapp 3000 Euro zahlte Wulff später nach. Das niedersächsische Ministergesetz erlaubt Geschenke bis zum Wert von zehn Euro. Wulff gab damals den Verstoß zu, die Staatsanwaltschaft verzichtete auf ein Verfahren.
Im vergangenen Sommer machte er als Bundespräsident mit seiner Familie auf Mallorca Urlaub im Haus des Unternehmers Carsten Maschmeyer. Maschmeyer hatte den Finanzdienstleister AWD gegründet und bereits die politische Karriere des damaligen Ministerpräsidenten Gerhard Schröder gefördert. Schröders Nachfolger Gerhard Glogowski (SPD) musste nach nur einem Jahr gehen, weil er sich eine private Feier und eine Hochzeitsreise von Unternehmen sponsern ließ.
Der Parteienkritiker Hans Herbert von Arnim attackiert Wulff in der "Passauer Neuen Presse": "Er hat dem niedersächsischen Parlament nur die halbe Wahrheit gesagt." Von Arnim sieht Wulffs Glaubwürdigkeit beschädigt. "Er ist ja Wiederholungstäter und hat nicht das erste Mal mit solchen Vorwürfen zu kämpfen." CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt sagte dagegen, er begrüße die Äußerungen von Wulff. Damit sei die Sache "geklärt".
Ob Wulff-Freund Geerkens von der Beziehung profitiert hat, ist unklar. Er reiste mehrfach im Gefolge des Ministerpräsidenten mit: nach Indien, China, Japan, in die USA. Für Wirtschaftsdelegationen konnte sich im Prinzip jeder Unternehmer bewerben. Geerkens zahlte seine Reisen selbst.