CDU und FDP wollten die Ausnahmen der Mehrwertsteuer prüfen. Doch die Reform genießt keine Priorität. Die Regierung weist Stillstand zurück.
Berlin. Was passiert mit der Mehrwertsteuer in Deutschland? "Das Thema Reform der Mehrwertsteuer steht unverändert auf der Agenda der Bundesregierung“, erklärte Regierungssprecher Steffen Seibert am Freitag in Berlin. Wann die Neuordnung angegangen werden soll, ließen Seibert und das Finanzministerium allerdings offen. Wann die von der schwarz-gelben Koalition angestrebte Reform der Mehrwertsteuer also kommt, bleibt ungewiss. Einen Bericht der "Bild“-Zeitung, wonach die Koalition mehrere wichtige Steuervorhaben unter anderem aus Kostengründen auf Eis lege und nicht mehr angehe, wiesen Seibert und Ministeriumssprecher Martin Kotthaus unterdessen zurück. Von Inaktivität im Bereich der Steuerpolitik könne keine Rede sein, sagte Seibert. Dies betreffe auch die Unternehmensbesteuerung.
Treffen der von der Koalition eingesetzten Regierungskommission zur Mehrwertsteuer-Reform wurden bisher mehrmals abgesagt. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hatte sich öfter skeptisch zu einer umfassenden Reform der reduzierten Mehrwertsteuersätze geäußert.
Schäubles Sprecher sagte, zwar habe der Koalitionsausschuss die Kommission bisher noch nicht zu einer Sitzung einberufen. Aber es sei auch erst die Hälfte der Legislaturperiode um. „Das ist kein Moment zu sagen, da passiert nichts“. Grundsätzlich sei bei der Mehrwertsteuerreform aber ein großer Sprung nötig. „Wir glauben nicht, dass bei der Mehrwertsteuer kleinteilige Regeln helfen. Das muss schon ein klarer Schnitt hin zur Vereinfachung sein.“
Die Hoffnungen der Wirtschaft auf eine Reform des Unternehmenssteuerrechts erhielten kürzlich einen Dämpfer. Eine Bund-Länder-Gruppe zur Verlustverrechnung und Gruppenbesteuerung hatte Mitte November vor Einnahmeverlusten in Milliardenhöhe gewarnt. Das Finanzministerium wollte dennoch nicht von einem Ende der Reformpläne sprechen. Zumal Deutschland und Frankreich an einer Harmonisierung der Unternehmensbesteuerung beider Länder arbeiten. „An der Unternehmenssteuer arbeiten wir intensiv“, sagte Kotthaus.
+++ Die CDU und der Mindestlohn +++
+++ 40 Milliarden zusätzlich Steuereinnahmen +++
+++ Koalition zerstritten über die Steuerentlastung ab 2013 +++
Die „Bild“-Zeitung berichtete unter Berufung auf Koalitionskreise, Schäuble habe drei Reformen auf Eis gelegt. Bis 2013 gebe es allenfalls Raum für kleine Korrekturen. Betroffen seien Änderungen der Unternehmens- und der Mehrwertsteuer sowie weitere Vereinfachungen. Begründet werde dies damit, dass eine grundlegende Reform der Unternehmenssteuern für den Bund zu teuer sei. Die Mehrwertsteuer-Reform gelte als politisch nicht durchsetzbar.
Der reguläre Mehrwertsteuersatz liegt derzeit bei 19, der ermäßigte Satz bei sieben Prozent. Die Sonderregelung diente ursprünglich dazu, Grundnahrungsmittel und kulturelle Angebote für Geringverdiener erschwinglich zu halten. Inzwischen sind die vielen Ausnahmen kaum noch nachvollziehbar und oft widersprüchlich.
Union und FDP hatten im Koalitionsvertrag vereinbart, die vielen Ausnahmen bei den Mehrwertsteuersätzen auf den Prüfstand zu stellen. Bei einem Wegfall aller Sonderregelungen würde der Staat etwa 23 Milliarden Euro pro Jahr zusätzlich einnehmen. Davon entfallen aber 17 Milliarden Euro auf den ermäßigten Satz für Nahrungsmittel.
Da nach bisherigen Plänen aber an den Ausnahmen für Nahrungsmittel, Zeitungen und Kulturleistungen nicht gerüttelt werden soll, wären Mehreinnahmen von „nur“ drei bis vier Milliarden Euro zu erwarten. In der Koalition besteht die Sorge, dass die Proteste gegen die Abschaffung verminderter Steuersätze in keinem Verhältnis zu möglichen Mehreinnahmen für den Staat stünden.