Laut einem Medienbericht sind Ermittler auf weitere Unterlagen gestoßen. Waren es Todeslisten? Behörden sprechen von Daten-Sammlung.

Passau/Köln/Berlin/Karlsruhe. Wollte die Zwickauer Terrorzelle noch mehr Unheil über das Land bringen? Ermittler sind laut "Passauer Neue Presse" auf weitere Unterlagen gestoßen. Schriftliche und elektronische Daten, die in Zwickau sichergestellt wurden, sollen Tausende Namen und Adressen beinhalten, darunter die von weiteren Politikern und Abgeordneten sowie von ausländischen Einrichtungen in Deutschland. Die Sicherheitsbehörden sprachen gegenüber der Zeitung nicht von Todeslisten, sondern von einer Daten-Sammlung, die für die Zwecke der Rechtsextremisten offenbar relevant war. Derzeit werden die Daten zur Auswertung an die Sicherheitsbehörden der Bundesländer verteilt.

Unterdessen hat das Bundesamt für Verfassungsschutz vor dem Berliner Krisengipfel über Pannen bei der Neonazi-Fahndung Mängel eingeräumt. Hinweise auf eine Zusammenarbeit des Verfassungsschutzes mit der rechtsextremen Zwickauer Zelle gibt es nach Angaben des neuen Generalbundesanwaltes Harald Range vom Donnerstag allerdings nicht. In Sachsen warnt der DGB vor einer Verharmlosung des Rechtsextremismus. Innenminister Markus Ulbig (CDU) wird am nächsten Mittwoch (23. November) im Landtag eine Erklärung zu der Neonazi-Mordserie abgeben und über bis dahin vorliegende Erkenntnisse sprechen.

Am Freitag kommen die Innen- und Justizminister von Bund und Ländern mit Spitzen der Sicherheitsbehörden zu Beratungen über die Ermittlungen und mögliche Versäumnisse zusammen. Dem zuletzt in Zwickau lebenden Neonazi-Trio Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe wird die Ermordung von neun türkisch- und griechischstämmigen Menschen sowie einer Polizistin vorgeworfen. Die beiden Männer sind mittlerweile tot, angeblich haben sie sich selbst umgebracht.

+++ Range: "Keine Spur von Zwickau zum Verfassungsschutz" +++

Mit Spannung wurde eine Aussage der in Köln inhaftierten Zschäpe erwartet - die Bundesanwaltschaft hüllt sich dazu aber in Schweigen. Auch ist weiter unklar, wie viele Mittäter das Trio hatte. Der Anwalt des Verdächtigen Matthias D. sagte "stern.de“, sein Mandant habe nichts mit den blutigen Taten der Neonazis zu tun. Matthias D. hatte dem Trio die Wohnung in Zwickau vermietet.

Es bestehe Anlass, Informationswege und die Bearbeitungsweise im Bereich des militanten Rechtsextremismus zu optimieren, räumte das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) am Donnerstag ein. Die Aufklärung der Terroraktivitäten der Gruppe Nationalsozialistischer Untergrund (NSU), der das Nazi-Trio angehörte, "hat im BfV derzeit oberste Priorität“.

Im Zusammenhang mit der Neonazi-Mordserie prüft das bayerische Landeskriminalamt (LKA) anhand von DNA-Spuren, ob es eine Verbindung der rechtsextremistischen Gruppierung zum Fall Alois Mannichl gibt. Der frühere Passauer Polizeichef war 2008 niedergestochen und schwer verletzt worden. Der Täter wurde bislang nicht gefasst

Auch in Sachsen läuft eine Überprüfung unaufgeklärter Kriminalfälle auf mögliche Verbindungen zur Neonazi-Mordserie. "Das ist normale Polizeiarbeit“, sagte Lothar Hofner vom Innenministerium. Zum Stand der Prüfungen äußerte er sich nicht. Nach dpa-Informationen sollen die Ergebnisse bis zum Montag kommender Woche dem Ministerium vorgelegt werden. An diesem Tag beraten sowohl die Parlamentarische Kontrollkommission als auch der Innenausschuss des Landtags in Sondersitzungen.

Sachsens DGB warnte vor einer Verharmlosung des Rechtsextremismus. In den zurückliegenden Jahren habe es einen "zunehmend sorgloseren Umgang mit den Gefahren des Rechtsextremismus“ gegeben, sagte DGB-Landesvorsitzende Iris Kloppich. Zuletzt sei immer mehr die Verfolgung von Linksextremisten in den Mittelpunkt gerückt worden. Zudem würden die Demokraten kriminalisiert, die sich wie in Dresden am 13. und 19. Januar gegen Neonazis gestellt hatten. "Mit der Verharmlosung der Gefahr von Rechtsaußen muss jetzt ein für alle Mal Schluss sein.“