Ehemaliger Hoffnungsträger wirft seiner Partei “Verhöhnung früherer Träume“ vor. Euro-Kritiker Henkel rät Guttenberg von Rückkehr in die Politik ab.
Berlin/München/Halle. Soll er, soll er nicht? Während sich Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) nach der Einstellung des Plagiatsverfahrens gegen seine Person offenbar auf eine Rückkehr auf die politische Bühne festgelegt hat, hegen Vertreter aus Wirtschaft und sogar der eigenen Partei Zweifel an der Sinnhaftigkeit eines Comebacks des ehemaligen Bundesverteidigungsministers.
Der Ex-Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Hans-Olaf Henkel, rät Guttenberg von einer Rückkehr in die Politik ab. "Ich glaube, er wäre gut beraten, sich ein anderes Betätigungsfeld auszusuchen als die Politik“, sagte Henkel der in Halle erscheinenden "Mitteldeutschen Zeitung“ (Freitagausgabe). Dies gelte auch für die Gründung einer neuen Partei.
Henkel ist ein exponierter Euro-Kritiker und wird seit geraumer als möglicher Gründer einer eurokritischen Partei genannt. Guttenberg wiederum hatte sich in einem Interview mit der Wochenzeitung "Die Zeit“ kritisch zur CSU geäußert und die Erfolgschancen einer neuen bürgerlichen Partei positiv bewertet.
+++ Liebäugelt Guttenberg mit Gründung einer neuen Partei? +++
Dagegen würd die Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Gerda Hasselfeldt, ein politisches Comeback des ehemaligen Verteidigungsministers begrüßen. "Karl-Theodor zu Guttenberg muss selbst über seine Zukunft entscheiden“, sagte sie der in Halle erscheinenden "Mitteldeutschen Zeitung“ (Freitagausgabe). Auf die Frage, ob auch eine erneute Kandidatur willkommen wäre, antwortete Hasselfeldt: "Natürlich“.
Sie habe Guttenberg im Übrigen "nicht so verstanden, dass er der CSU abspricht, noch eine Volkspartei zu sein. Er hat vielmehr die Entwicklung der Volksparteien und ihres Einflusses insgesamt kritisch dargestellt.“
Guttenberg hatte erklärt, die CSU sei wie alle anderen Parteien "von einer Infektion befallen“; sie als Volkspartei zu bezeichnen, wirke auf ihn "wie die Verhöhnung früherer Träume“.
Unterdessen sorgen in der CSU kritische Bemerkungen ihres früheren Hoffnungsträgers über den Zustand der Partei für Verärgerung. Der Wirtschaftsexperte und frühere CSU-Chef Erwin Huber sagte, für die Belehrungen Guttenbergs gebe es kein Verständnis. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) hofft allerdings dennoch auf ein politisches Comeback des ehemaligen Verteidigungsministers.
Guttenberg hatte in einem Interview der Wochenzeitung "Die Zeit" unter anderem die "Behauptung" der CSU aufs Korn genommen, "man sei die letzte verbliebene Volkspartei". Dies werde "ihr bestimmt nicht mehr Wähler zuführen, sondern im Zweifel als Hybris ausgelegt". Er fügte hinzu: "Sich so zu bezeichnen, wenn man etwa 40 Prozent der Stimmen bei einer Wahlbeteiligung von unter 60 Prozent bekommt, wirkt nur noch wie die Verhöhnung früherer Träume." Guttenberg mahnte ferner, es reiche "für die CSU nicht aus, in romantischer Rückschau die gute alte Zeit zu beschwören". Er kritisierte: "Da haben sich doch schon viele Spinnweben gebildet." Er höre "immer wieder von jungen Leuten, dass es ihnen an einem Kompass fehlt". Die Gefahr eines Abstiegs zu einer Regionalpartei sei "immer dann gegeben, wenn die CSU glaubt, bayerische Interessen brachial und dauerhaft über gegebene bundespolitische und europäische Ansprüche sowie auch globale Einflüsse stellen zu müssen". Dieses Verhalten dürfe "nicht zum Grundmuster werden".
+++ Gescheitert, aber nur vorerst +++
Guttenberg fügte hinzu: "Ich bin zurzeit Mitglied einer Partei, die einen langen Weg zu gehen hat, um von der Abwärtsbewegung der sogenannten Volksparteien nicht ergriffen zu werden." Auf die Frage, ob die Betonung auf dem Wort "zurzeit" liege, antwortete er: "Dabei möchte ich es bewenden lassen. Nicht jede Betonung muss bereits eine Drohung sein." Ex-Parteichef Huber sagte der "Mitteldeutschen Zeitung", die CSU habe Guttenberg "in einem sehr reichen Maße Solidarität gegeben, als er in Schwierigkeiten war". Dass es dafür nun "Watschen für die eigene Partei" gebe, sei mehr als erstaunlich.
Zu einem möglichen Comeback des über die sogenannte Plagiatsaffäre gestürzten Politikers sagte Huber: "Karl-Theodor zu Guttenberg kann sich in der eigenen Partei jederzeit wieder um ein Mandat bewerben. Aber es ist nicht so, dass wir einen Thron frei halten." Sowohl in der Bundesregierung als auch im Freistaat sei "kein Posten unbesetzt". Huber betonte: "Wir haben keine vakanten Stellen."
Bundesinnenminister Friedrich sagte jedoch: "Als Bezirksvorsitzender der CSU Oberfranken wünsche ich mir, dass Karl Theodor zu Guttenberg wieder in die Politik zurückkommt, und zwar nach Möglichkeit auch in seiner oberfränkischen Heimat." Zu möglichen Zeitplänen und Umständen wollte er sich aber nicht äußern. Friedrich betonte jedoch: "Ich habe keine Zweifel, dass man ihn willkommen heißt. Ich werde ihm aber keine öffentlichen Ratschläge geben."
Chronologie der Plagiatsaffäre von Guttenberg
15. Februar 2011: Die "Süddeutsche Zeitung“ berichtet vorab über mögliche Plagiate in der Doktorarbeit von Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU). Die Arbeit "Verfassung und Verfassungsvertrag. Konstitutionelle Entwicklungsstufen in den USA und der EU“ wurde 2006 an der Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Bayreuth eingereicht. Guttenberg hatte dafür die Bestnote summa cum laude erhalten.
16. Februar: In der "Süddeutschen Zeitung“ stehen erste Plagiatsbeispiele, die der Bremer Juraprofessor Andreas Fischer-Lescano festgestellt hat. Guttenberg weist die Vorwürfe noch als „abstrus“ zurück.
Kurz darauf berichtet die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ in ihrer Online-Ausgabe, dass die Einleitung der Doktorarbeit aus einem Artikel in dem Blatt abgeschrieben sein soll. Der einleitende Absatz der Arbeit decke sich fast wortwörtlich mit einem 1997 erschienenen Text der Politikwissenschaftlerin Barbara Zehnpfennig.
17. Februar: Während Guttenberg die deutschen Truppen in Nordafghanistan besucht, werden in Deutschland fast stündlich neue Plagiatsvorwürfe laut. Erstmals werden Rufe nach einem Rücktritt laut. Im Internet wird eine Webseite für die Schummel-Recherche eröffnet. Unter "Guttenplag-Wiki“ sollen die Vorwürfe gegen den CSU-Politiker gesammelt und bewertet werden. Die Uni Bayreuth gibt Guttenberg 14 Tage Zeit für eine schriftliche Stellungnahme.
18. Februar: Erstmals gehen Strafanzeigen gegen Guttenberg wegen der Plagiatsvorwürfe ein. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagt ihrem Minister Unterstützung für den Fall zu, dass er sich zu den Vorwürfen erkläre. In einem eilig einberufenen Pressestatement entschuldigt sich Guttenberg am Mittag für "Fehler“ und erklärt, er werde seinen Doktortitel bis zur Aufklärung durch die Uni Bayreuth nicht führen. Zugleich versichert er erneut: "Meine von mir verfasste Dissertation ist kein Plagiat.“
21. Februar: Die Bundestagsfraktionen von SPD und Grünen wollen die Plagiatsvorwürfe zum Thema im Bundestag machen. „Guttenplag-Wiki“ legt einen Zwischenbericht vor: Danach stehen 271 Seiten der Dissertation oder knapp 70 Prozent unter Plagiatsverdacht.
22. Februar: Der Wissenschaftsverlag Duncker und Humblot will Guttenbergs Doktorarbeit künftig weder ausliefern noch neu auflegen.
23. Februar: Die Universität Bayreuth entzieht Guttenberg den Doktortitel.
28. Februar: Wissenschaftler übergeben einen von 23.000 Doktoranden unterzeichneten offenen Brief an Merkel, in dem sie der CDU-Politikerin in der Plagiatsaffäre eine "Verhöhnung“ aller wissenschaftlichen Hilfskräfte vorwerfen. Ihre Haltung in der Debatte lege nahe, "dass es sich beim Erschleichen eines Doktortitels um ein Kavaliersdelikt handele“.
Auch Guttenbergs Doktorvater Häberle geht nun auf Distanz zu ihm. Mit sehr großem Bedauern habe er zur Kenntnis nehmen müssen, dass die Umstände geeignet seien, den Ruf der Universität Bayreuth in Misskredit zu bringen.
1. März: Guttenberg gibt seine politischen Ämter auf, wie er in einem kurzfristig anberaumten Statement erklärt. "Das ist der schmerzlichste Schritt meines Lebens“, sagt er. Hintergrund ist die Kritik aus Wissenschaft und Politik in der Plagiatsaffäre.
3. März: Guttenberg legt auch sein Bundestagsmandat nieder.
7. März: Die Staatsanwaltschaft Hof nimmt Ermittlungen gegen Guttenberg auf.
8. April: Die "Süddeutsche Zeitung“ berichtet, dass die Universität offenbar davon ausgeht, dass Guttenberg absichtlich getäuscht hat. Der "Nordbayerische Kurier“ schreibt, dass Guttenberg die Veröffentlichung des Universitäts-Berichts offenbar verhindern will.
15. April: Guttenberg hat kein politisches Mandat mehr. Der Kreistag des oberfränkischen Landkreises Kulmbach stimmt einstimmig Guttenbergs Antrag auf Niederlegung seines Amtes zu.
6. Mai: Jetzt ist es amtlich: Die Universität Bayreuth geht in ihrem Abschlussbericht davon aus, dass Guttenberg absichtlich getäuscht habe. "Nach eingehender Würdigung der gegen seine Dissertationsschrift erhobenen Vorwürfe stellt die Kommission fest, dass Herr Freiherr zu Guttenberg die Standards guter wissenschaftlicher Praxis evident grob verletzt und hierbei vorsätzlich getäuscht hat“.
11. Mai: Die Universität stellt den über 80 Seiten langen Abschlussbericht inklusive einer Übersicht einiger der Zitierverstöße Guttenbergs in Bayreuth vor. "Evidente Plagiate“ hätten sich über die ganze Arbeit verteilt gefunden, erklärt der Vorsitzende der Kommission "Selbstkontrolle in der Wissenschaft“, Stephan Rixen.
23. November: Die Staatsanwaltschaft Hof gibt bekannt, dass die Ermittlungen gegen Guttenberg gegen Zahlung einer Geldauflage in Höhe von 20.000 Euro eingestellt wurden.
Mit Material von dapd