Die Kommentare zum Plagiatsverfahren und zum Comeback des einstigen Strahlemanns. Guttenberg spaltet mal wieder die Republik.

Hamburg. Er spaltet die Republik – mal wieder. Karl-Theodor Guttenberg hat sich aus seinem selbst gewählten Kurzzeit-Exil in den USA zurückgemeldet, mit einem Interview zu seiner Plagiatsaffäre, seinem Comeback und dem Buch, das er als Interviewband mit „Zeit“-Chefredakteur Giovanni die Lorenzo verfasst hat. Also auch hier fremde Hilfe beim Schreiben. Doch viele setzen auch auf den früheren Verteidigungsminister, der eine kriselnde CSU nach der Landtagswahl 2013 mitreißen könnte. Der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Hans-Peter Uhl, hat sich für ein politisches Comeback Guttenbergs ausgesprochen. „Mit der Entscheidung der Staatsanwaltschaft, das Ermittlungsverfahren wegen Urheberrechtsverletzung einzustellen, ist der Rechtsfrieden wieder hergestellt“, sagte Uhl der „Mitteldeutschen Zeitung“.

Die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth kritisiert die Einstellung des Ermittlungsverfahrens gegen Guttenberg. Mit den 20.000 Euro, die er an die Deutsche Kinderkrebshilfe gezahlt habe, komme Guttenberg günstig davon, sagte Roth dem Hamburger Abendblatt. Guttenberg habe erwiesenermaßen abgeschrieben und als Minister das Parlament belogen. „Das war alles andere als ein Kavaliersdelikt“, sagte Roth. „Ich denke, dass sich zurzeit nur die CSU nach Guttenberg sehnt, weil sie ihn als Überlebenshilfe braucht.“

Auf abendblatt.de finden Sie Kommentare zur Affäre Guttenberg, zum Comeback und zur Einstellung des Strafverfahrens:

Hamburger Abendblatt:

Amerika, du hast es besser als unser Kontinent, der alte, hast keine verfallenen Schlösser und keine Basalte. Dich stört nicht im Innern zu lebendiger Zeit unnützes Erinnern und vergeblicher Streit. Diese Zeilen sind abgeschrieben – von Goethe. Sauberes Zitieren ist auch für Journalisten nicht immer selbstverständlich. Bei aufstrebenden Politikern kann der freizügige Umgang mit fremdem geistigen Eigentum zum jähen Karriereknick führen. Karl-Theodor zu Guttenberg kann ein Lied davon singen – im fernen Amerika, wo er derzeit Streit und Erinnern hinter sich lassen will – und wohl an einem Neustart seiner Politikerlaufbahn bastelt. Darauf deutet der Titel seines in wenigen Tagen erscheinenden Buches 'Vorerst gescheitert' hin. Angeblich arbeitet er auch an einer neuen Doktorarbeit, diesmal einer echt eigenen, die ihm nicht wieder wegen 'vorsätzlicher Täuschung' aberkannt werden kann. Das sieht dann auf der Visitenkarte wieder besser aus und die Familienehre, auf die Vater Enoch so stolz ist, wäre auch wiederhergestellt.20.000 Euro an die Kinderkrebshilfe haben dafür gesorgt, dass die Staatsanwaltschaft Hof gestern das Ermittlungsverfahren gegen ihn eingestellt hat. Kein Prozess, keine drohende Vorstrafe – für eine öffentliche Karriere ein wichtiger Schritt.

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+++ Kommentar: Gescheitert, aber nur vorerst +++

Neue Zürcher Zeitung:

Ob die bundesrepublikanische Öffentlichkeit auf den bayrischen Chef-Kopierer noch einmal hereinfällt? Ausgeschlossen ist es nicht. Der absurde Adels- und Akademiker-Fimmel blüht in Deutschland wie eh und je, das Verehrungsbedürfnis der Massen hat noch kein taugliches neues Objekt gefunden, und Teile der Medien finden nach wie vor Gefallen am Lügenbaron, nicht nur aus politischen Gründen, sondern weil er als praktisch einziger Paradiesvogel im grauen deutschen Politikbetrieb eine angenehm auflagensteigernde Wirkung hat.

Abendzeitung:

Den jugendlich-altklugen Ton, den trifft er noch immer, wenn er beklagt, dass Politiker 'die Menschen nicht mehr erreichen'. Wer wollte ihm da widersprechen! Und doch, die Zeiten haben sich geändert. Probleme wie die Bundeswehrreform, die Guttenberg angestoßen und als Riesenbaustelle hinterlassen hat, sind angesichts der anschwellenden Euro-Katastrophe Peanuts. Die CSU wartet zwar auf einen Retter, aber es gibt viele an der Spitze, von Seehofer über Söder bis Haderthauer, die gar nicht gerettet werden wollen. Und dann sind da noch die Bürger und Ex-Fans, die sich noch getäuscht fühlen könnten und die vielleicht diesmal nicht Glamour mit Substanz verwechseln.

Nürnberger Nachrichten:

Es ist nicht einmal ein Freispruch zweiter Klasse: Die Staatsanwaltschaft Hof hat Karl-Theodor zu Guttenberg 23 Verstöße gegen das Urheberrecht in seiner Doktorarbeit nachgewiesen. Dass die Juristen im Gegensatz zur Bayreuther Universität nur 23 Verstöße entdeckten, liegt allein daran, dass die wenigsten der plagiierten Texte dem strengen Schutz des Urheberrechts unterlagen. Abgeschrieben wurden sie aber trotzdem – und zwar von jenem Mann, der jetzt damit beginnt, die mehr als wohlwollende Hofer Entscheidung frech in die für sein politisches Comeback nötige Reinwaschung umzudeuten.

Financial Times Deutschland:

Nun gut, das systematische Plagiieren beim Verfassen seiner Doktorarbeit hat für Karl-Theodor zu Guttenberg doch keine strafrechtlichen Folgen. Ein Freibrief ist dies für ihn aber nicht. Nachdem der Ex-Verteidigungsminister eine hohe Geldstrafe akzeptiert hat, mag die Sache zumindest juristisch vom Tisch sein. Die größere Strafe für ihn war bereits sein unabwendbarer Rücktritt. Und die Blamage vor der gesamten Wissenschaft, seinen Doktortitel aberkannt bekommen zu haben. Seine Glaubwürdigkeit hat der CSU-Politiker damit aber noch nicht zurück erhalten. Doch die ist unabdingbar, um in die Bundespolitik zurückkehren zu können. Seine Anhänger quält der Phantomschmerz so sehr, dass sie jetzt wieder seine rasche Rückkehr in die Bundespolitik herbeireden. Und Guttenberg befeuert dieses irrationale Sehnen noch mit einem Interview-Buch mit dem vielsagenden Titel 'Vorerst gescheitert'. Nun ist es bislang keinem auch noch so ehrgeizigen Politiker gelungen, sich selbst in ein Amt zu schreiben. Dass dürfte auch dem Freiherrn nicht gelingen, zumal der es ja nicht besonders genau nimmt mit der Ehrlichkeit.

Rheinische Post:

Eine der stärksten Geschichten im Neuen Testament ist die vom verlorenen Sohn. Einer, der alles verspielt hat und bereit ist, ganz kleine Brötchen zu backen, findet Gnade und kehrt zurück in die Familie. Wunderbar. Natürlich kennt Karl-Theodor zu Guttenberg die Stelle aus dem Lukas-Evangelium. Es ist das Gleichnis, das alle tief Gefallenen im Kopf haben, die auf ein Comeback hoffen. Und Guttenberg hofft nicht nur. Er arbeitet daran, konzentriert wie kein Zweiter. Reue, Buße, Vergebung. Zwei Stationen des klassischen Dreischritts glaubt der nach der Plagiatsaffäre abgetauchte Ex-Verteidigungsminister in nur acht Monaten absolviert zu haben: In den USA, so hieß es, schreibe er an einer neuen Dissertation – Vater Enoch soll dies dem vorerst verlorenen Filius aufgetragen haben, auf dass die Familienehre wiederhergestellt werde.

Schwäbische Zeitung:

Ein gutes halbes Jahr nach seinem unehrenhaften Abschied schiebt Karl-Theodor zu Guttenberg den Fuß zurück in die Tür zur deutschen Politik. Er geht dabei nicht in Sack und Asche, sondern verteilt Lob und Tadel. Ganz nach Gutsherrenart. Statt glaubhaft in sich zu gehen, nützt der Baron erneut seine Stellung als Liebling bestimmter Medien und setzt darauf, dass ihn diese Welle fragwürdiger Sympathie erneut nach oben tragen werde. So steht es wohl um die politische Kultur im Lande, und das ist anscheinend nicht zu ändern. Mögen sich die Bosbachs und die Merkels dieser Republik noch so mühen: Als „Doktor der Herzen“, wie es Talkshow-Lästermaul Harald Schmidt formulierte, ist einer wie Guttenberg nicht zu toppen. (abendblatt.de/ryb)