Die Koalition will die Steuerfreibeträge in zwei Stufen anheben. Aus den SPD-Reihen hagelt es Kritik. Verfassungsklage wird geprüft.
Berlin/Hamburg/München. SPD und Grüne lehnen die von der schwarz-gelben Koalition geplanten Steuersenkungen ab. Die Entlastung der Steuerzahler sei mickrig, aber die Belastung für den Haushalt erheblich, sagte SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles am Montag in Berlin. Sie kündigte an, die Gesetzesänderungen würden in der Länderkammer blockiert: "Wir können uns auch nicht vorstellen, dass im Bundesrat die sozialdemokratisch geführten Landesregierungen zustimmen.“ Außerdem werde eine Verfassungsklage geprüft. Auch die Grünen werteten die geplanten Steuersenkungen als nahezu wirkungslos.
"Die Behauptung, dass Steuersenkungen denjenigen besonders helfen, die wenig haben in dieser Gesellschaft, ist falsch.“, sagte der Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, Jürgen Trittin, dem Sender Phoenix. Die Hälfte der Bevölkerung zahle keine Einkommenssteuer. "Das heißt, diese Steuersenkungen kommen bei diesen Menschen nicht an.“ Nahles lehnte auch die Reformabsichten bei der Pflegeversicherung ab. Diese werde die Betroffenen nicht entlasten. Die Vereinbarungen hätten vor allem ein Ziel, sagte Nahles: "Diese Koalition mit Mühe und Not über die nächsten Monate zu bringen.“
Die Spitzen von Union und FDP hatten sich am Sonntag auf eine Senkung der Kalten Progression in der Einkommenssteuer verständigt. Ein Teil davon muss auch vom Bundesrat abgesegnet werden. Die Arbeitnehmer sollen in zwei Schritten 2013 und 2014 um insgesamt sechs Milliarden Euro entlastet werden. Union und FDP wollen den Grundfreibetrag in den zwei Jahren um insgesamt rund 350 Euro anheben. Das gab das Bundesfinanzministerium am Montag bekannt. Der steuerliche Grundfreibetrag würde 2014 dann bei etwa 8354 Euro liegen. Bis zu einem zu versteuernden Jahreseinkommen in dieser Höhe müssen also keine Steuern gezahlt werden. Für jeden verdienten Euro darüber ist ein schrittweise steigender Steuersatz fällig.
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Bisher liegt der Grundfreibetrag für Ledige bei 8004 Euro. Er soll nun 2013 in einem ersten Schritt um etwa 110 Euro und 2014 um weitere 240 Euro steigen. CDU, CSU und FDP einigten sich zudem auf eine Erhöhung des Beitrags der Pflegeversicherung ab 2013 um 0,1 Prozent. Regierungssprecher Steffen Seibert nannte die Entscheidungen ein "klares Bekenntnis der Koalitionspartner zu einem wirtschaftlich stabilen, finanziell soliden und sozial gerechten Deutschland“.
Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel sagte am Montag dem Radiosender HR-Info, Mehreinnahmen müssten genutzt werden, um Schulden abzubauen und nicht um Wahlgeschenke zu machen. "Die Zeiten, in denen man Politik auf Pump gemacht hat, sind endgültig vorbei. Wenn Union und FDP jetzt Steuern senken wollen, dann müssen sie auch sagen, wo sie einsparen wollen.“ Es werde über Geld geredet, das noch nicht da sei, kritisierte Gabriel. "Was passiert eigentlich, wenn die wirtschaftliche Entwicklung nicht so gut bleibt?“ Gabriel mahnte die Bundesregierung, bei allen Steuerplänen die Verfassung einzuhalten, der zufolge Schuldenabbau Vorrang habe.
Grünen-Fraktionschefin Renate Künast hält die Beschlüsse der Koalition für ein "katastrophales Signal“. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) habe "für jeden ihrer Jungs - rechts und links – etwas dabei gehabt: für Seehofer, für Rösler“, sagte Künast am Montag dem Nachrichtensender n-tv. Dies seien "alles nur Geschenke, damit die nächsten Tage Ruhe ist. Aber gut für Deutschland und die Menschen ist dieser Beschluss nicht.“ Es sei ein "Vertrag zulasten kommender Generationen“. Der Bundesrat müsse dazu "ein klares Nein sagen“.
CSU-Chef Horst Seehofer hingegen rechnet mit einer Zustimmung der Länderkammer zu den Steuersenkungsplänen der schwarz-gelben Koalition. Es gebe "eine hohe Wahrscheinlichkeit“, dass der Bundesrat dies mittrage, sagte Seehofer am Montag vor einer Sitzung des CSU-Vorstands in München. Die von SPD-Chef Sigmar Gabriel angedrohte Verfassungsklage nannte Seehofer „völlig aussichtslos“. Der CSU-Chef zeigte sich höchst zufrieden mit den Ergebnissen des Koalitionsgipfels vom Vorabend. "Ich glaube, die ganze Koalition ist Sieger.“ Jeder der drei Regierungspartner könne Erfolge verzeichnen, die CSU etwa mit der Einigung auf Einführung des Betreuungsgelds.
FDP-Generalsekretär Christian Lindner verteidigte das Einlenken seiner Partei beim Thema Betreuungsgeld. Der am Sonntag von der Koalition vereinbarte Beschluss sei ein Kompromiss, den die FDP bereits im Koalitionsvertrag eingegangen sei, sagte er am Montag im Deutschlandfunk. Seiner Partei sei es wichtig, dass durch das Betreuungsgeld keine zusätzlichen Anreize gegeben werden, Kindern "den wichtigen Besuch der Kita vorzuenthalten“, sagte Lindner. Deswegen müsse es mit anderen Sozialleistungen verrechnet werden können.
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Mit Material von dpa und dapd