Wahl in Mecklenburg-Vorpommern Regierungschef Sellering (SPD) will jetzt Gespräche mit CDU und Linkspartei führen
Schwerin/Berlin. Starker Aufwind für SPD und Grüne, Schlappe für Angela Merkels CDU und noch ein Fiasko für die FDP: Die Sozialdemokraten von Ministerpräsident Erwin Sellering haben bei der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern deutlich hinzugewonnen und können sich den Koalitionspartner nun aussuchen. Infrage kommt ihr bisheriger Partner CDU - der in der politischen Heimat der Bundeskanzlerin so schwach abschneidet wie noch nie - oder die schwächelnde Linke.
Die Grünen ziehen erstmals in den Schweriner Landtag ein und sind nun in allen 17 Parlamenten von Bund und Ländern vertreten. Die krisengeschüttelte FDP scheitert zum vierten Mal in diesem Jahr am Wiedereinzug in ein Landesparlament. Die rechtsextreme NPD überspringt die Fünf-Prozent-Hürde und bleibt im Parlament.
Nach einer Hochrechnung des ZDF legt Sellerings SPD auf 35,7 Prozent der Stimmen zu, ein Plus von fünfeinhalb Punkten. Die CDU mit Spitzenkandidat Lorenz Caffier landet mit 23,1 Prozent noch einmal deutlich unter ihrem niedrigen Niveau von 2006, ein Minus von 5,7 Punkten. Die Linke kann mit 18,5 Prozent ihr Ergebnis von 2006 nur wenig verbessern. Die noch nie im Schweriner Landtag vertretenen Grünen springen dagegen auf 8,4 Prozent, ein Zuwachs von fünf Punkten. Die FDP stürzt um fast sieben Punkte auf 2,8 Prozent. Auch die NPD liegt mit 6,0 Prozent hinter ihrem Resultat von 2006. Die Wahlbeteiligung betrug 52 Prozent - Negativrekord im Nordosten.
Sellering kündigte an, man werde "ab sofort" in Gesprächen ausloten, welche Koalition möglich sei. Er schloss ein Bündnis mit den Linken nicht aus, erklärte aber auch, man müsse bei der Partei "ganz genau hinschauen. Da gibt es Wahlversprechen, die so nicht finanzierbar sind." Auch beim bisherigen Koalitionspartner CDU gebe es aber "Knackpunkte". Der SPD-Bundesvorsitzende Sigmar Gabriel sagte, der starke Zugewinn für die SPD zeige: "Leistung lohnt sich auch in der Politik."
CDU-Spitzenkandidat Caffier sagte enttäuscht, die Reformbemühungen der vergangenen Jahre seien bei den Bürgern nicht gut angekommen. In Berlin betonte CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe, er sehe in dem schlechten Abschneiden seiner Partei keinen Denkzettel für die Bundesregierung. "Das war eine Entscheidung über die Landesregierung", sagte Gröhe.
Auch Linke-Spitzenkandidat Helmut Holter zeigte sich enttäuscht: "Wir wollten richtig zulangen, wir wollten mehr erreichen. Aber anscheinend war der Bundestrend nicht auf unserer Seite." Mauerbau-Debatte und innerparteiliche Streitereien hätten "nicht unbedingt dazu beigetragen", deutlich zuzulegen. Dennoch sei Rot-Rot in Mecklenburg-Vorpommern möglich. Die Linke sei dazu bereit. Die Bundesvorsitzende Gesine Lötzsch sagte, das Ergebnis zeige, dass man erfolgreich sein könne, wenn man gemeinsam für eine Sache einstehe.
Die Grünen-Spitzenkandidatin in Mecklenburg-Vorpommern, Silke Gajek, ließ sich von ihren Anhängern feiern und betonte: "Wir haben in Ostdeutschland den Rekord aufgestellt." Bei keiner Landtagswahl im Osten war die Partei bisher so stark. Gajek forderte ihre Partei auf, nun "richtig zu ackern". Der Bundesvorsitzende Cem Özdemir wertete das Abschneiden seiner Partei als "wahre Sensation". Das Ergebnis gebe Rückenwind für den Kommunalwahlkampf in Niedersachsen und die Abgeordnetenhauswahl in Berlin. Der Grünen-Europaabgeordnete Reinhard Bütikofer sprach von einem "Vertrauensbeweis für grüne Politik".
Der FDP-Landesvorsitzende Christian Ahrendt erklärte noch am Wahlabend seinen Rücktritt. Er mache den Weg frei für einen neuen Landesvorstand. FDP-Generalsekretär Christian Lindner beklagte die Niederlage der Liberalen. Sie schmecke "bitter, weil im neuen Landtag keine liberale Stimme, aber mit der NPD womöglich Feinde der Demokratie" vertreten seien. (HA)