Der EnBW-Deal wird für Ministerpräsident Mappus im Endspurt zur Wahl immer mehr zum Klotz am Bein. Jetzt droht ein Untersuchungsausschuss.
Kurz vor der Landtgswahl in Baden-Württemberg gerät Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) wegen seiner Informationspolitik zum Wiedereinstieg des Landes beim Energiekonzern EnBWimmer stärker in Erklärungsnot. Wie die Nachrichtenagentur dpa am Donnerstag in Stuttgart erfuhr, wurde Finanzminister Willi Stächele (CDU) erst wenige Stunden vor dem Vertragsabschluss über das Fünf-Milliarden-Euro-Geschäft eingeweiht. Das geht aus einem persönlichen Vermerk des Ministers hervor, wie Regierungskreise der dpa bestätigten. Mappus hatte stets bestritten, Stächele erst so spät informiert zu haben.
Grünen-Chef Özdemir greift Mappus wegen EnBW-Deals an
Die Grünen-Fraktion will deshalb nach der Wahl am 27. März einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss beantragen. Grünen-Fraktionschef Winfried Kretschmann sagte zu dem dpa-Bericht: „Was wir immer schon vermutet haben, verdichtet sich zur Gewissheit.“ Mit dem U-Ausschuss wolle man Licht „in diese dunkle Geschichte“ bringen. Nach der Landesverfassung muss der Landtag ein solches Gremium einsetzen, wenn ein Viertel der Mitglieder oder zwei Fraktionen dies verlangen. Die Grünen bringen es derzeit nicht auf die ausreichende Zahl von Abgeordneten.
Die oppositionelle SPD will die Vorgänge rund um den Deal erst prüfen. Ob ein Untersuchungsausschuss zur Aufklärung der „dubiosen Vorgänge“ um den EnBW-Aktienkauf notwendig wäre, zeige sich nach der Wahl, erklärte Fraktionschef Claus Schmiedel. Dann wolle die SPD vollen Einblick nehmen in die Regierungsakten und die Bücher der EnBW. Schmiedel warf Mappus vor, bei dem Deal nicht nur das Parlament umgangen zu haben, sondern auch Stächele. „Ministerpräsident Mappus wird jetzt endgültig entlarvt als CDU-Politiker, der die Verfassung nach Belieben missachtet.“ Er verdiene das Vertrauen der Bürger nicht.
Der Finanzminister war bei dem Deal eigentlich die zentrale Figur, weil die Regierung für die Übernahme von 45 Prozent des Unternehmens notfallmäßig ohne Zustimmung des Landtags agieren wollte. Dazu bedurfte es der Unterschrift des zuständigen Ministers. In Artikel 81 der Landesverfassung heißt es: „Über- und außerplanmäßige Ausgaben bedürfen der Zustimmung des Finanzministers. Sie darf nur im Falle eines unvorhergesehenen und unabweisbaren Bedürfnisses erteilt werden.“
In dem Vermerk heißt es, Stächele sei am Vorabend des Kaufs um 23.00 Uhr von Mappus informiert worden. Der Regierungschef habe gemahnt, man müsse jetzt und sofort handeln. Sein geheimes Vorgehen hatte Mappus mehrfach mit Verweis auf einen günstigen Aktienkurs und den möglichen Einstieg ausländischer Investoren verteidigt. Das Finanzministerium wollte sich nicht dazu äußern, ob der Vermerk existiert. Das Staatsministerium lehnte eine Stellungnahme ab.
Wie die dpa erfuhr, wurde Stächele am Nachmittag des 5. Dezembers von Staatsminister Helmut Rau (CDU) telefonisch gebeten, am Abend in die Staatskanzlei zu kommen. Es gebe wichtige Dinge zu besprechen, es gehe nicht um Persönliches, hat Rau laut Vermerk gesagt. Kurz vor Mitternacht habe Mappus dem Finanzminister dann erklärt, dass das Land kurz vor dem Erwerb der Anteile an EnBW vom französischen Staatskonzern EdF stehe. „Monatelange Gespräche hätten diese Chance ergeben“, heißt es in dem Vermerk. Dann notierte Stächele über sich selbst: „Der Unterzeichner nahm diese Information und Rechtsberatung entgegen.“
Die Opposition hatte schon mehrfach infrage gestellt, ob sich Stächele über Nacht ein umfassendes Bild von dem komplizierten Deal machen konnte. SPD und Grünen warfen Mappus vor, er habe den zuständigen Minister vor vollendete Tatsachen gestellt und zum „Abnicker“ degradiert.
Das Finanzministerium erklärte am Donnerstag: „Der Finanzminister hatte ausreichend Zeit, um die Sach- und Rechtslage nach Information durch den Herrn Ministerpräsidenten intensiv mit den Vertretern der Kanzlei Gleiss Lutz und Morgen Stanley zu erörtern.“ Das Notfallgesetz sei „kein Neuland“ für den Minister gewesen. Nach dpa-Informationen wurde Stächele noch am späten Abend im Staatsministerium von Vertretern der Anwaltskanzlei und der Investmentbank informiert.
Mappus hatte Anfang Februar vor der Landespressekonferenz erklärt, alle Beteiligten seien früh einbezogen worden. „Die volle Information über Inhalte, was die Betrachtung von Gleiss Lutz angeht, (...) ist logischerweise allen Handelnden deutlich vor dem 6. Dezember bekannt gewesen.“
Es sind nicht die ersten Ungereimtheiten bei dem Geschäft. Im Landtag hatte Mappus Mitte Dezember in einer Regierungserklärung gesagt, er habe vor Abschluss des Geschäfts am 6. Dezember ein juristisches Gutachten eingeholt. Die Expertise der Kanzlei Gleiss Lutz trägt aber das Datum des 15. Dezember. Daraufhin warf SPD-Spitzenkandidat Nils Schmid dem Ministerpräsidenten vor, das Parlament bewusst belogen zu haben. Die Regierung wies das zurück. „Das Gutachten wurde mündlich erstattet“, erklärte Staatsminister Rau.