Die Meldungen über den Terror-Alarm häufen sich: Der Reichstag in Berlin ist offenbar ein mögliches Anschlagsziel von al-Qaida.
Hamburg. Nach der Verwirrung um eine Bombenattrappe auf dem Flughafen Windhuk ist laut Bundesinnenministerium der Leiter der dortigen Flughafensicherheitspolizei festgenommen worden. Dem Mann werde vorgeworfen, das verdächtige Gepäckstück auf dem Flughafen der namibischen Hauptstadt Windhuk auf ein Band zur Gepäckbeförderung gelegt zu haben, teilte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums in Berlin am Sonnabend nach Ermittlungen der dortigen Polizei mit. Der Verdächtige sei am Freitag festgenommen worden und soll gestanden haben. Über die Motive des Mannes gebe es noch keine Erkenntnisse.
Beamte des Bundeskriminalamtes stünden mit der namibischen Polizei in engem Kontakt, teilte der Sprecher weiter mit. Es liege jetzt in der Verantwortung der namibischen Behörden, die weiteren Ermittlungen zu führen. Er betonte, deutsche Behörden seien an der Platzierung des verdächtigen Gepäckstücks in der namibischen Hauptstadt Windhuk nicht beteiligt gewesen. Namibias Polizeichef Sebastian Haitota Ndeitunga sagte am Sonnabend, der Verdächtige sei ein hoher Offizier, der seit fünf Jahren im Polizeidienst sei. Es sei nun wichtig festzustellen, mit wem er zusammengearbeitet habe. Am Montag solle der Mann dem Richter vorgeführt werden.
Das Gepäckstück mit der für Sicherheitstests gebauten Bombenattrappe war am Mittwoch auf dem Flughafen der namibischen Hauptstadt Windhuk gefunden worden. Es wurde in einer Flughafenhalle entdeckt, in der zuvor das für einen Air-Berlin-Flug nach München bestimmte Gepäck gelagert war.
Reichstag mögliches Anschlagsziel
Unterdessen bestätigte ein Sprecher von Bundestagspräsident Norbert Lammert, dass der Reichstag in Berlin als mögliches Anschlagsziel von Terroristen gelte. Das hatte der "Spiegel" berichtet. Laut "Spiegel“ haben die Sicherheitsbehörden sogar detaillierte Informationen über Anschlagspläne einer Terrorzelle. Dies sei Hintergrund der dramatischen Warnung von Bundesinnenminister Thomas de Maizière diese Woche. De Maizière hatte ungewöhnlich eindringlich vor einer konkreten Terrorgefahr in Deutschland und einem möglichen Anschlag noch in diesem Monat gewarnt. Anlass waren laut „Spiegel“ Informationen eines potenziellen islamistischen Aussteigers, der sich beim Bundeskriminalamt gemeldet haben soll. Er habe von einem Terrorkommando aus sechs Personen berichtet, das eine Geiselnahme und ein Blutbad im Reichstag vorbereite.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mahnte die Bürger zur Ruhe. Die Sicherheitsbehörden arbeiteten „aufmerksam und der Lage angemessen“, sagte die Kanzlerin auf dem Nato-Gipfel in Lissabon. „Wir sind entschlossen, uns unsere Lebensweise der Freiheit nicht nehmen zu lassen.“ Allerdings gebe es eine „reale Gefährdung durch den Terrorismus“.
Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD) sagte, er könne Medienberichte über einen möglichen Anschlag auf den Reichstag in Berlin nicht bestätigen. Die Sicherheitsbehörden seien gut beraten, nicht auf Spekulationen einzugehen. Es liege auf der Hand, dass Berlin wie auch andere deutsche Metropolen im Fokus von Terroristen seien. Bund und Länder haben nach den Worten Körtings mit verschiedenen Maßnahmen auf die verschärfte Sicherheitslage reagiert.
Lammerts Sprecher äußerte sich zu dem Bericht ebenfalls nicht, sagte aber ganz allgemein: „Wir wussten natürlich auch, das der Reichstag ein mögliches Ziel sein kann.“ Entsprechende Schutzmaßnahmen seien getroffen worden – sowohl äußerlich sichtbare Absperrungen als auch weitere Vorkehrungen. So sei das Parlament auch für die anstehende Sitzungswoche gewappnet. Vom Bundesinnenministerium gab es keine Stellungnahme.
Laut „Spiegel“ ist der angebliche Anschlag erst für Februar oder März vorgesehen, was de Maizières Aussage widerspräche. Doch stützt sich der Innenminister dem Magazin zufolge auch auf einen Warnhinweis der US-Bundespolizei FBI zur geplanten Einreise zweier mutmaßlicher Terroristen am 22. November. Eine schiitisch-indische, mit al-Qaida verbündete Gruppe habe zwei Männer für einen Anschlag auf den Weg nach Deutschland geschickt.
Die Informationen decken sich offenbar zum Teil mit einem „Focus“-Bericht. Das Münchner Magazin meldete zudem, de Maizière habe den Länderinnenministern berichtet, mit Anschlägen sei am ehesten in „Berlin, Hamburg, München, im Rhein-Main-Gebiet und im Raum Köln/Bonn“ zu rechnen. Mit einer Art Rasterfahndung versuchten die Sicherheitsbehörden, die Einreise eines mutmaßlichen Terror-Kommandos zu verhindern.
Der Chef der Bundespolizei, Matthias Seeger, bestätigte, dass die Hinweise auf einen geplanten Terroranschlag aus verschiedenen Quellen stammten. Der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ sagte er, die Wahrscheinlichkeit eines solchen Anschlags durch islamistische Terroristen sei „heute konkreter als je zuvor“.
Die Polizeigewerkschaften in Berlin forderten angesichts der aktuellen Terrorwarnungen mehr Polizisten für die Hauptstadt. Je länger eine solche Belastung dauere, desto problematischer werde es für die Polizisten, sagte der Landesbezirksvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Michael Purper. Der Landesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Bodo Pfalzgraf, forderte eine verstärkte Polizeiausbildung.
Die Polizisten sind nach Ansicht Purpers für den Einsatz gegen den Terror gut vorbereitet. Aufgrund der jahrelangen Terrorproblematik seien fachliche Konzepte ausgearbeitet worden. Zudem hätten die Beamten bestimmte Lagen immer wieder geübt. Allerdings seien die Polizisten an der „Belastungsgrenze“ angekommen. Sie sammelten „Überstunden en masse“.