Verteidigungsminister zu Guttenberg zeigt sich zu drastischem Umbau bereit. Rüstungsindustrie: DIHK-Chef warnt vor Kürzungen.

Berlin. In fünf bis acht Jahren soll die grundlegende Reform der Bundeswehr vollständig umgesetzt sein. Das hat Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) gestern bei der Entgegennahme des Abschlussberichts angekündigt, den die von ihm eingesetzte Reformkommission erarbeitet hat. Gleichzeitig signalisierte Guttenberg Zustimmung zu deutlichen Kürzungen in seinem Haus, die laut Kommissionsmitglied Hans Heinrich Driftmann auch für die Wirtschaft nicht ohne Konsequenzen bleiben werden. "Mit kosmetischen Maßnahmen wird es nicht getan sein", sagte der Minister. Es gebe in der Struktur der Bundeswehr und des Verteidigungsministeriums "substanzielle Mängel", die abgestellt werden müssten. Die Richtung des Berichts der Kommission unter Leitung von Frank-Jürgen Weise, dem Chef der Bundesagentur für Arbeit, stimme.

Den Empfehlungen der gut 110 Seiten starken Studie zufolge soll die Zahl der Mitarbeiter im Verteidigungsministerium von derzeit gut 3000 auf weniger als 1500 sinken. Die Streitkräfte insgesamt sollen statt derzeit rund 250.000 noch 180.000 Soldaten umfassen. Die Kommission blieb damit über den bislang von Guttenberg als Untergrenze genannten 163.500. Zugleich stellte sich die Strukturkommission hinter Guttenbergs Idee, die Wehrpflicht auszusetzen. Stattdessen soll es für 15.000 Personen die Möglichkeit geben, einen freiwilligen Wehrdienst von 15 bis 23 Monaten Dauer zu leisten. Schließlich schlägt die Kommission auch eine Neuordnung der militärischen Spitze vor.

Der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK), Hans Heinrich Driftmann, warnte die deutschen Wehrtechnik-Unternehmen vor bevorstehenden Einschnitten. Driftmann, der als Mitglied in der Strukturkommission mitgearbeitet hat, sagte dem Hamburger Abendblatt, die Zulieferunternehmen müssten sich wegen des geringeren Wehretats neu orientieren: "Angesichts der konsequenten Einsatzausrichtung und der damit verbundenen Straffung der Prozesse wird die deutsche wehrtechnische Industrie nicht mehr durch den Hauptkunden Bundeswehr ausgelastet sein. Zukünftig fallen kleinere Stückzahlen an, sodass die wehrtechnische Industrie mehr als zuvor auf den Export und die zivile Nutzbarkeit ihrer Produkte angewiesen sein wird."

Driftmann schlug eine "neue strategische Partnerschaft" zwischen Militär und Wirtschaft vor. Eine solche Kooperation müsse von einem Top-Managementdialog über die Trends und Entwicklungen auf beiden Seiten geprägt sein.

Der DIHK-Chef verteidigte zugleich die Reformvorschläge der Kommission. Die heutigen Verfahren bei der Beschaffung von Rüstungsmaterialien seien zu lang, zu teuer und am Ende in oft unzureichender Qualität. "Selbst bei akutem Bedarf im Einsatz und vorhandenen marktverfügbaren Produkten benötigt die Beschaffung und Erprobung aufgrund der Vielzahl an beteiligten Stellen und der fehlenden entscheidungsbefugten und durchsetzungsfähigen Projektleitung häufig mehrere Jahre", kritisierte Driftmann.

Deshalb schlage die Kommission eine "Agentur für Beschaffung der Bundeswehr" vor, die sich an den künftigen Einsatzanforderungen und zivilen Vorbildern orientieren solle. Dazu gehören eine zentrale Einkaufsorganisation und ein funktionierendes Risikomanagement. "Aus meiner Sicht ist für diesen Veränderungsprozess auch neues Personal von außen erforderlich", sagte Driftmann. Zudem sprach sich der DIHK-Präsident dafür aus, dass die Bundeswehr in nicht militärischen Bereichen Kosten durch Leasing- oder Mietmodelle reduzieren solle. So sehe die Kommission "zum Beispiel Potenzial für eine weitere Auslagerung von Aufgaben in den Bereichen Logistik und Instandhaltung".

Optimierungsmöglichkeiten gebe es auch durch einen einfacheren Zulauf an Ausrüstungen. Würden Produkte gemeinsam mit anderen EU- oder Nato-Staaten entwickelt, sollten deren Erprobung und Zertifizierung wechselseitig anerkannt werden. "Eine erneute Güteprüfung durch deutsche Behörden und der damit verbundene Zeitverlust sind nicht nachvollziehbar und gehen auf Kosten der Einsatzfähigkeit der Truppe", sagte Driftmann.

Während der Bundeswehrverband bereits eine rasche Umsetzung der Pläne forderte, will Guttenberg den 112-seitigen Bericht bis Ende Januar noch prüfen lassen. Erste organisatorische Veränderungen seien bereits Anfang 2011 vorgesehen, kündigte der Verteidigungsminister an.