Verbraucherministerin Ilse Aigner kündigt verbesserte Kennzeichnungen von Lebensmitteln an und fordert eine EU-Regelung bei Imitaten.
Berlin. Der Einkauf im Supermarkt soll ab dem kommenden Jahr verbraucherfreundlicher werden: Eine neue Kennzeichnung der Verpackungen soll Kaloriengehalt und Nährwerte deutlicher als bisher kennzeichnen. Wie Verbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) gestern ankündigte, soll der Kaloriengehalt eines Produkts künftig allein stehen. Daneben würden Zucker, Fett, gesättigte Fettsäuren und Salz aufgeführt. Neu ist auch die Angabe für den vollen Inhalt der Verpackung. Bislang geben die Hersteller die Kalorien bei dem freiwilligen Modell pro Portion an. Die Portionsgröße entspricht aber etwa bei einer Pizza nicht immer dem ganzen Stück, sondern nur einem Teil.
Auf eine deutliche und einheitlich geregelte Kennzeichnung von Imitaten, etwa bei Schinken und Käse, müssen die Verbraucher jedoch noch warten. Eine solche Vorschrift muss noch von den Verbraucherministern auf europäischer Ebene beschlossen werden. Aigner forderte ihre Ministerkollegen in der EU auf, hier schnell zu einer gemeinsamen Lösung zu kommen. "Wenn Produkte wie Formfleisch oder Analogkäse vermarktet werden, müssen sie ehrlich und ohne Beschönigungen gekennzeichnet werden. Dafür setze ich mich auf europäischer Ebene mit allem Nachdruck ein", sagte Aigner dem Abendblatt. "Wir brauchen hier eine verbraucherfreundliche Regelung." Auch das Europäische Parlament habe sich mehrheitlich für eine Kennzeichnung ausgesprochen, betonte die Ministerin. Verbraucher hätten ein Recht auf Klarheit und Wahrheit. "Dazu zählt auch der Grundsatz: Es muss drin sein, was draufsteht", so Aigner weiter. Kunden dürften nicht getäuscht werden, weder durch Mogelpackungen noch durch Imitate. "Die lückenhafte Kennzeichnung von Imitaten ist ein Ärgernis", sagte Aigner. Ob man Klebeschinken oder Analogkäse wirklich brauche, müsse jeder Verbraucher selbst entscheiden. Dazu müsse der Kunde aber überhaupt die Möglichkeit haben, die Ware als Imitat zu erkennen, stellte die Ministerin klar.
An der geplanten Internet-Liste für Etikettenschwindel will Aigner trotz Kritik des Koalitionspartners FDP und der Wirtschaft festhalten. Ein Portal soll Verbrauchern ermöglichen, Produkte öffentlich zu hinterfragen, bei denen sie falsche Angaben zu Inhaltsstoffen oder Etikettenschwindel vermuten.
Die von der Verbraucherzentrale Hessen federführend betriebene Internetseite soll im Frühjahr 2011 starten. Verbraucher könnten sich auf der Seite direkt äußern, wenn sie glaubten, durch die Produkte eines Lebensmittelherstellers getäuscht zu werden. Die Wirtschaft habe dann die Möglichkeit, zu den Äußerungen der Verbraucher Stellung zu beziehen. Häuften sich die Beschwerden, könne ein Produkt auch verboten werden.
Die Seite sei ein Beitrag zu mehr Transparenz am Markt. "Es geht auch darum, die Erwartungen der Verbraucher besser kennenzulernen", sagte Aigner. Sie gab als Beispiel die Kalbsleberwurst. Hier sei lange nicht hinterfragt worden, ob das Fleisch vom Kalb stammen müsse. Nachdem sich herausgestellt habe, dass Schweineleber verarbeitet wurde, sei klar geworden, dass die Verbraucher erwarteten, dass nur Kalbsleber verarbeitet würde.
Ein anderes Beispiel betreffe Joghurts, auf deren Verpackung Früchte abgebildet seien. "Wir wollen erkunden, ob die Menschen wirklich Früchte erwarten oder Fruchtaromen", sagte Aigner. Ziel des Portals sei es, eine "längst überfällige Debatte zwischen Verbrauchern und Wirtschaft in Gang zu setzen." Der Industrie und der Politik könnten die Verbraucher Anstöße für mögliche Verbesserungen geben.
Unterdessen fordern die Verbraucherzentralen im Kampf gegen Übergewicht einen Stopp der Lebensmittelwerbung für Kinder. Politik und Hersteller täten sich bislang schwer, kritisierte der Chef des Bundesverbands der Verbraucherzentralen, Gerd Billen. Die Bundesregierung hatte in ihrem Aktionsplan gegen Übergewicht 2008 eine Selbstverpflichtung der Lebensmittelwirtschaft angestrebt, auf Werbung gegenüber Kindern unter zwölf Jahren zu verzichten. Zwei Drittel der Männer und die Hälfte der Frauen gelten in Deutschland als übergewichtig oder fettleibig, bei Kindern zwischen 14 und 17 Jahren ist es fast ein Fünftel der Jungen und ein Sechstel der Mädchen.