Angela Merkel kanzelt ihn ab, die Wirtschaft schreit auf, seine Partei ist verwirrt. Doch der bayerische Ministerpräsident gibt sich bockig.
München. War es nur eine Idee wie so viele, die den Mund von Horst Seehofer (61) ungeschützt verlassen? Oder hat Bayerns Ministerpräsident mal wieder gezielt provoziert, weil er selbst heftig unter Druck steht? Da ist die Debatte um den populären Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg, einen Ziehsohn Seehofer, aber auch ein Konkurrent um Aufmerksamkeit. Da ist der Streit um Zuwanderer und den Königsweg in der Integration. Und jetzt ist da auch noch die Rente mit 67, bei deren Einführung – sie gilt ab dem Jahr 2029 – Seehofer plötzlich Bedenken hat. Es ist eine Posse in mehreren Akten, die sich in der Union, zwischen den Schwesterparteien, innerhalb der Machtzirkel und zwischen den Koalitionspartnern in Berlin abspielt.
Doch CSU-Chef Seehofer steht zu seiner umstrittenen Veto-Drohung gegen die Einführung der Rente mit 67 . „Das ist ein Signal an die Wirtschaft, deutlich stärkere Anstrengungen zu unternehmen“, bekräftigte Seehofer am Mittwoch. Der CSU-Chef verwies darauf, dass die Einführung der Rente mit 67 von jeher an Bedingungen geknüpft war – bessere Beschäftigungschancen für ältere Arbeitnehmer. „Ich vertrete das, was wir beschlossen haben, ohne Wenn und Aber.“
Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hat sich nach dieser kaum verhüllten Kampfansage bemüht, den unionsinternen Streit zu entschärfen. „Die Bundeskanzlerin weiß, dass Horst Seehofer und sie genau das Gleiche wollen, nämlich dass mehr und mehr (...) Menschen über 55 ihre volle Arbeitskraft im Beruf auch tatsächlich zeigen können“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Merkel teile Seehofers Sorge, dass bei der Beschäftigung Älterer noch mehr getan werden müsse. „Aber das ist für sie kein Grund, die Rente mit 67 zur Disposition zu stellen.“
Bayerns Sozialministerin Christine Haderthauer hat ihrem Ministerpräsidenten den Rücken gestärkt. „Die Rente mit 67 kann nur funktionieren, wenn ältere Arbeitnehmer auch in Beschäftigung kommen“, sagte Haderthauer der Nachrichtenagentur dapd. Deshalb müssten „die Unternehmen jetzt endlich ihre Hausaufgaben machen und ihrer Zusage, das Arbeitspotenzial älterer Arbeitnehmer angemessen zu aktivieren, nachkommen“. Der Berliner CSU-Landesgruppenchef Hans-Peter Friedrich stellte klar: „Die Rente mit 67 steht nicht zur Disposition.“ Dieses Vorgehen sei schließlich beschlossen worden, „um das Rentensystem zu sichern“.
Seehofers Worte stoßen bei der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw) auf Kritik. Vbw-Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt warnte, an der Rente mit 67 dürfe nicht gerüttelt werden. Er fügte hinzu: „Diesbezügliche Forderungen sind fern der Realität. Sie lassen insbesondere die demografische Entwicklung völlig außer Acht.“ Brossardt verwies darauf, dass allein in Bayern bis zum Jahr 2015 „rund 520.000 Fachkräfte fehlen“ werden. Er fügte hinzu: „Wir werden daher künftig weder eine ausreichende Anzahl von Fachkräften haben, um Wertschöpfung in Deutschland zu halten, noch die notwendige Anzahl der Beitragszahler, um die künftigen Renten zu finanzieren.“ Ein Aussetzen der Rente mit 67 hätte „zwangsläufig eine Erhöhung der Rentenbeiträge oder aber des Bundeszuschusses zur Rentenkasse zur Folge“.