Auftakt zur Lesereise von Thilo Sarrazin in Potsdam. Überwiegend positive Reaktionen im Publikum. Während der Lesung bestätigte Sarrazin, dass er die Bundesbank freiwillig verlassen werde.
Potsdam. Begleitet von lautstarken Protesten vor dem Start hat Bundesbank-Vorstand Thilo Sarrazin (SPD) am Donnerstag in Potsdam seine bundesweite Lesereise begonnen. Im ausverkauften Nikolaisaal las der ehemalige Berliner Finanzsenator vor etwa 700 Gästen aus seinem umstrittenen Buch „Deutschland schafft sich ab“. Das Publikum im Saal empfing den 65-Jährigen überwiegend mit Applaus; einige jubelten und begrüßten den Redner mit „Standing Ovations“.
Vor dem Gebäude protestierten dagegen zahlreiche Menschen unter dem Motto „Keine Toleranz gegen Rassisten“ gegen den Leseabend. Mit seinen Äußerungen über Einwanderer hatte Sarrazin bundesweit Proteststürme ausgelöst. „Ich und viele meiner Kollegen haben Wut im Bauch“, sagte ein Berliner, der vor 25 Jahren als Gastarbeiter aus der Türkei nach Deutschland gekommen war und seitdem bei Siemens arbeitet. „Sarrazin schafft sich ab“ stand auf einem Transparent an der Fassade eines Nachbarhauses.
Andere Demonstranten gaben sich als Sarrazin-Befürworter zu erkennen. Darunter waren auch einige Anhänger der rechten Szene. Die Polizei erteilte ihnen Platzverweise. Weitere Zwischenfälle habe es zunächst nicht gegeben, sagte ein Polizeisprecher.
Thilo Sarrazin verlässt freiwillig die Bundesbank
Der wegen seiner Thesen zur Einwanderungspolitik heftig umstrittene Bundesbankvorstand Thilo Sarrazin geht nun doch freiwillig. Sarrazin habe den Bundespräsidenten gebeten, ihn vom Amt zu entbinden, teilte der Vorstand der Bundesbank am Donnerstagabend in Frankfurt schriftlich mit. Bundespräsident Christian Wulff muss daher nicht mehr über den vor einer Woche gestellten Antrag der Bundesbank auf Entlassung Sarrazins entscheiden.
Den Antrag hat die Bundesbank nach eigenen Angaben zurückgezogen. Zudem halte man „wertende Ausführungen“ über Sarrazins Verhalten nicht mehr aufrecht. Man werde die Zusammenarbeit einvernehmlich zum Monatsende beenden und wolle sich nicht mehr zu dem Vorgang äußern.
Der 65 Jahre alte SPD-Politiker und frühere Berliner Finanzsenator Sarrazin hatte mit seinem Werk „Deutschland schafft sich ab“ und vorbereitenden Interviews heftige Kritik auf sich gezogen und war immer mehr ins politische Abseits geraten. Die SPD hat gegen Sarrazin ein Parteiausschlussverfahren eingeleitet.
Der Bundesbank-Vorstand hatte nach langem Zögern und starkem politischen Druck aus Berlin am Donnerstag vergangener Woche erstmals in der Geschichte der Notenbank die Abberufung eines Vorstandsmitglieds beantragt. Unter dem Bundesbankchef Axel Weber hatte sich alle übrigen Vorstandsmitglieder gegen den früheren Berliner Finanzsenator Sarrazin gestellt. Er habe mit seinen Thesen das Ansehen der Bundesbank beschädigt und gegen die Pflicht zur Zurückhaltung eines Vorstandes verstoßen, hieß es noch in der vorigen Woche.
Zu den Einzelheiten der Einigung machte die Bundesbank keine Angaben. Arbeitsrechtler hatten wiederholt bezweifelt, dass seine Äußerungen einen Rausschmiss arbeitsrechtlich rechtfertigen könnten. Sarrazins Amtszeit begann im Mai 2009 und sollte regulär 2014 enden.