Der freiwillige Zivildienst soll so attraktiv wie möglich sein. Käßmann lobt Guttenbergs Bundeswehr-Konzept, Vorgänger Jung kritisiert ihn.
Berlin/Hamburg. Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) sieht keine Chance, an Stelle des bisherigen Zivildienstes einen verpflichtenden Sozialdienst für junge Frauen und Männer einzuführen. Dies wäre ein „riesiger Eingriff in die Freiheit eines jungen Menschen“, für den es nach einem Aussetzen der Wehrpflicht keinen gewichtigen Grund gebe, sagte sie im Südwestrundfunk. Der von ihr angedachte freiwillige Zivildienst für Männer wie Frauen müsse „so attraktiv wie möglich“ gestaltet werden, sagte Schröder. Die angepeilten 500 Euro Monatslohn seien „eine ganz grobe Größe“, die sich an der Bezahlung eines freiwilligen Wehrdienstes orientieren werde. Schröder sagte, sie halte es für realistisch, bei einem Aussetzen der Wehrpflicht 35.000 Menschen pro Jahr für einen freiwilligen Zivildienst zu gewinnen.
Gegenwärtig leisten 90.000 junge Männer pro Jahr Zivildienst, der zuletzt von neun auf sechs Monate verkürzt worden war . Schröder wies die Befürchtung zurück, ein auf Bundesebene organisierter freiwilliger Zivildienst werde in Konkurrenz treten zum Freiwilligen Sozialen Jahr, das von den Bundesländern organisiert wird. Das Freiwillige Soziale Jahr solle weiter bestehen, die Förderung erhöht und neue Plätze geschaffen werden, sagte Schröder im ZDF.
Die frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Margot Käßmann, hat die Pläne von Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) für einen freiwilligen Wehrdienst begrüßt. „Ich finde das einsichtig und notwendig“, sagte sie dem Evangelischen Pressedienst epd. „Die Zukunft liegt in der Freiwilligkeit, sowohl beim Wehrdienst als auch beim Freiwilligen Sozialen Jahr“, unterstrich Käßmann, die Präsidentin der Zentralstelle für Recht und Schutz der Kriegsdienstverweigerer mit Sitz in Bockhorn bei Wilhelmshaven ist.
In Deutschland gebe es schon lange keine Wehrgerechtigkeit mehr, sagte die frühere hannoversche Landesbischöfin. Bemerkenswert sei, dass der Vorschlag von einem Bundesminister aus der CSU komme. „Als ich das einmal in der EKD-Synode gefordert habe, hieß es, das sei eine ganz linke Forderung“, sagte Käßmann: „Das ist es aber überhaupt nicht.“
Der frühere Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) hat die Pläne seines Amtsnachfolgers Karl-Theodor zu Guttenberg zur Aussetzung der Wehrpflicht heftig kritisiert. Das Vorhaben sei ein „Schritt in die falsche Richtung“, sagte Jung. Guttenbergs Vorhaben, die Wehrpflicht formal im Grundgesetz verankert zu lassen, sie aber auf unbestimmte Zeit auszusetzen, bezeichnete Jung als „nicht praktikabel“. „Den Dienst wieder einzuführen, wäre organisatorisch und politisch kaum möglich“, sagte Jung. Ohne Wehrpflicht sei es außerdem schwieriger, kompetenten Nachwuchs für die Bundeswehr zu gewinnen.
Eine Aussetzung des Wehr- und Zivildienstes wird nach Ansicht eines Experten auch Auswirkungen auf den Arbeits- und Ausbildungsmarkt haben. Bislang sei noch gar nicht bedacht worden, dass in den kommenden Jahren doppelte Abiturjahrgänge die Schulen verlassen werden, sagte Theo Lampe, Referent für Zivil- und freiwillige Dienste beim Diakonischen Werk im Oldenburger Land, der Deutschen Presse-Agentur. „Der Politik muss klar sein: Wenn die Wehrpflicht kurzfristig ausgesetzt wird, wird sich die Zahl derjenigen, die um einen Ausbildungsplatz konkurrieren, wesentlich erhöhen“, betonte Lampe. Damit kämen Belastungen auf die Familien und die jungen Männer zu. Es könne durchaus sein, dass im kommenden Jahr bei einem Verzicht auf den Wehr- und Zivildienst rund 50.000 Menschen zusätzlich auf den Ausbildungsmarkt drängten, meinte Lampe.