Verteidigungsminister zu Guttenberg plant Reform bis Jahresende. Kanzlerin Merkel will sich in der Debatte um die Wehrpflicht nicht festlegen.
Berlin. Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) will die Wehrpflicht aussetzen und die Bundeswehr um ein Drittel verkleinern. Bei einem Treffen mit den Experten der Koalitionsfraktionen favorisierte er ein entsprechendes Modell, wie aus Teilnehmerkreisen bekannt wurde. Danach soll die Truppe in den nächsten Jahren von derzeit 252.000 auf bis zu 163.500 Soldaten verkleinert werden.
Die Wehrpflicht soll zwar im Grundgesetz verankert bleiben , es sollen aber keine jungen Leute mehr gegen ihren Willen eingezogen werden. Der Verteidigungsminister will aber einen freiwilligen „Schnupper-Wehrdienst“ mit einer Länge von 12 bis 23 Monaten anbieten, der vor allem dazu dienen soll, Nachwuchs für die Berufsarmee zu rekrutieren. Auch Frauen sollen sich dafür freiwillig melden können.
Grünen-Fraktionschefin Renate Künast hat die geplante Aussetzung der Wehrpflicht als „halbherzig“ kritisiert. Sie forderte in Berlin einen endgültigen Abschied von der Wehrpflicht und stattdessen einen flexiblen, freiwilligen Kurzdienst für die Bundeswehr von 12 bis 24 Monaten für Frauen und Männer. „Dann hätte man eine Bundeswehr, die eine Mischung wäre aus Berufssoldaten und Soldatinnen und Soldaten auf Zeit und Reservistinnen und Reservisten“, sagte sie. Künast sagte weiter: „Sie würden bei der Abschaffung der Wehrpflicht den gesamten Musterungsapparat, die Ausbilder, die ganze Wehrerfassung einsparen. Das sind mindestens 45.000 Personen, die sie für andere Aufgaben einsetzen könnten."
Die SPD will dagegen an der Wehrpflicht festhalten. Dies hat das SPD-Präsidium in Berlin bekräftigt. Wie Parteichef Sigmar Gabriel nach der Sitzung betonte, soll die bisherige Wehrpflicht auf einen freiwilligen Wehrdienst umgestellt werden. Dies bedeute, dass auch künftig alle jungen Leute gemustert würden. Die Streitkräfte dürften auch nicht zu einer „Praktikanten-Armee“ werden. Deshalb müsse es bei einer zwölfmonatigen Dienstzeit für die Soldaten bleiben. Gabriel sprach sich auch für eine deutliche Aufwertung des Zivildienstes aus.
Die Bundesregierung will bei der Reform der Bundeswehr die Auswirkungen auf den Zivildienst im Blick behalten. Der Umbau sei ein längerer Prozess, bei dem die Frage nach dem Zivildienst stets parallel behandelt werde, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin. Eine Sprecherin des Familienministeriums erklärte, für jedes Modell aus dem Verteidigungsministerium werde es auch ein Modell für den Zivildienst geben. Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) hat den Auftrag, die Auswirkungen einer Verkleinerung der Bundeswehr und der möglichen Aussetzung der Wehrpflicht auf den Zivildienst zu prüfen. Am Nachmittag will sie von ihren Gesprächen mit den Fachpolitikern der Koalitionsfraktionen berichten und Zivildienst-Modelle für die Zukunft vorstellen. Darunter ist auch die Idee eines freiwilligen Zivildienstes.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte der Verteidigungsminister bereits am Sonntag über seine Pläne informiert. Merkel hat auch mit Schröder gesprochen. Nach Ansicht der Kanzlerin dürfe es keine Denkverbote in der Reformdebatte geben, bekräftigte Regierungssprecher Seibert. Gleichzeitig gebe es aber auch noch keine Vorfestlegungen. Das Verteidigungsministerium rechnet nach den Parteitagen von CSU und CDU im Oktober und November mit einer Entscheidung.