Die Pharmafirmen müssen nun den Nutzen neuer Arzneimittel nachweisen und den Erstattungspreis mit der Versicherung vereinbaren.
Berlin. Gegen den Widerstand der Pharmabranche hat die Bundesregierung Einsparungen bei Arzneimitteln von etwa 1,7 Milliarden Euro im nächsten Jahr beschlossen. Das zweite, längerfristig angelegte Pharma-Sparpaket soll mithelfen, das 2011 drohende Rekorddefizit bei den gesetzlichen Krankenkassen zu entschärfen. In den Jahren danach sind jeweils zwei Milliarden Euro als Einsparsumme angepeilt.
Nachdem sich die Fachleute der Koalition bislang ohne greifbares Ergebnis um ein Sparkonzept einschließlich neuer Zusatzbelastungen für die 50 Millionen Kassenmitglieder bemühten, greifen nun die Spitzen von Union und FDP ein. Ob sich die Partei- und Fraktionschefs an diesem Donnerstag und Freitag bereits werden einigen können, ließ CSU-Landesgruppenchef Hans-Peter Friedrich am Dienstag offen.
Vize-Regierungssprecher Christoph Steegmans sagte, Ziel des vom Kabinett verabschiedeten Sparpakets sei es, „die Versicherten auch künftig mit hochwertigen Arzneimitteln zu versorgen, ohne die Finanzierung der Gesetzlichen Krankenversicherung zu gefährden“.
Nach den Worten von Gesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) wurden „grundlegende strukturelle Änderungen im Arzneimittelmarkt auf den Weg gebracht und gleichzeitig die schwierige Balance zwischen Innovation und Bezahlbarkeit geschafft.“ Die Pharmafirmen müssten künftig den Nutzen neuer Arzneimittel nachweisen und den Erstattungspreis mit der Gesetzlichen Krankenversicherung vereinbaren.
Die Einsparungen will die Regierung auch durch Reduzierung der Großhandelsspannen erreichen. Zudem solle es eine schnellere Einordnung von Medikamenten in Festbetragsgruppen geben, für die Höchstpreise gelten. Rösler hatte zuvor als schnell wirkende Kostenbremse ein Pharma-Sparpaket beschließen lassen, das höhere Zwangsrabatte und ein Preismoratorium für Arzneien vorsieht. Damit sollen die Kassen bereits in diesem Jahr um rund 500 Millionen Euro entlastet werden.
Trotz Kritik im Detail zeigten sich die Krankenkassen mit dem Kabinettsbeschluss zufrieden. „Es ist ein Schritt in die richtige Richtung“, sagte der Vize-Chef des Spitzenverbandes der Gesetzlichen Krankenkassen, Johann-Magnus von Stackelberg. „Wir freuen uns, dass die Bundesregierung das Problem aufgegriffen hat.“
Kritisch wertete von Stackelberg, dass die geplante Kosten-Nutzen-Bewertung neuer hochpreisiger Medikamente bis zu 54 Monate dauern könne. Die Kosten-Nutzen-Bewertung soll die Frage beantworten, ob der Zusatznutzen eines neuen Medikaments den vom Hersteller festgelegten Preis tatsächlich rechtfertigt.
Die Verbandsvorsitzende Doris Pfeiffer mahnte die Bundesregierung, „schnell und nachhaltig zu handeln“. Die Stabilisierung der Kassenfinanzen sei dringlich. Sonst könnten einige von ihnen wegen des sich für 2011 abzeichnenden Rekorddefizits von elf Milliarden Euro in ernsthafte Schwierigkeiten kommen. Zahlen nannte sie nicht.
Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin warf der Regierung vor, sie gebe der Pharmaindustrie die Möglichkeit, bei neuen Medikamenten „im ersten Jahr Phantasiepreise zu nehmen“. Damit müssten die Kassen auch künftig tausende von Medikamenten zu überhöhten Preisen bezahlen.