Der Liberale bezeichnete die Mehrwertsteuersenkung für Hoteliers als Fehler. Die Bundeskanzlerin schäumte: Der Streit geht schon wieder los.
Berlin. In der Koalitionsspitze ist neuer Streit über die Steuerpolitik entbrannt. Bundeskanzlerin Angela Merkel stauchte FDP-Generalsekretär Christian Lindner zusammen, weil dieser in einem Interview die isolierte Senkung der Mehrwertsteuer auf Hotelübernachtungen als „Fehler“ bezeichnet hatte.
Merkel warf Lindner daraufhin in der Sitzung des Koalitionsausschusses vor, neue Unruhe in die Koalition zu tragen. „Ich dachte, wir wollten hier etwas ruhiger werden, und dann muss ich in der Früh so etwas hören“, wurde die Kanzlerin von Teilnehmern der Runde zitiert. Sie jedenfalls halte sich an den Koalitionsvertrag. Als Lindner sich verteidigte, habe die Kanzlerin erwidert: „Zur Beruhigung trägt das jedenfalls nicht bei.“
Linder hatte zuvor im Deutschlandfunk eingeräumt, der „ordnungspolitische Kompass“ habe nicht richtig funktioniert, als die Koalition Anfang des Jahres der Steuerrabatt für Hotelübernachtungen beschlossen habe: „Man hätte aus meiner heutigen Sicht diesen einzelnen Umsatzsteuersatz nicht vorab senken sollen, sondern wir hätten da auf die große Reform warten müssen“, sagte er.
Diese Reform will die Koalition nach Angaben von CDU und FDP jetzt nach der parlamentarischen Sommerpause in Angriff nehmen. Es gehe nicht um Einnahmeverbesserungen oder -verschlechterungen, sondern darum, das System einfacher, logischer und gerechter zu machen, sagte Unionsfraktionsgeschäftsführer Peter Altmaier. Das schließe nicht aus, dass es am Ende „Effekte auf der Einnahmeseite“ gebe.
Lindner erklärte, man wolle das System insgesamt auf den Prüfstand stellen. Da sei „kein Bereich ausgenommen“. Allerdings werde es weiter einen reduzierten Satz auf Grundnahrungsmittel und Grundbedürfnisse geben. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) müsse einen Vorschlag machen, „wie das System klarer und ordnungspolitisch sauber aufgestellt wird“.
Die CSU reagierte zurückhaltend. Generalsekretär Alexander Dobrindt erklärte, die Koalition wolle im Herbst wie verabredet darüber beraten, wie ein Fahrplan für eine Strukturreform bei der Mehrwertsteuer aussehen könnte. „Bis dahin sind alle inhaltlichen Debatten verfrüht und sinnlos.“
Die FDP bestand nach Angaben aus Teilnehmerkreisen im Koalitionsausschuss hingegen darauf, die Reform der Mehrwertsteuersätze bereits im September auf Spitzenebene anzugehen.
FDP-Chef Guido Westerwelle erinnerte den Angaben zufolge daran, dass es ein gemeinsamer Fehler gewesen sei, wichtige Entscheidungen am nordrhein-westfälischen Landtagswahltermin auszurichten. Dieser Fehler sei beiden Parteien gemeinsam auf die Füße gefallen.
Die SPD kommentierte den neuerlichen Schlagabtausch in der Koalition mit Häme: „Auf leisen Pfoten schleicht sich die FDP nun an die Erkenntnis heran, dass ihre Politik der Steuergeschenke nicht weiter trägt“, erklärte Generalsekretärin Andrea Nahles. Die Liberalen gestünden ein, dass die Mehrwertsteuersenkung für die Hotelbranche ein wahltaktischer Fehler gewesen sei. „Da können wir nur sagen: Weiter so, trauen sie sich, Herr Lindner! Den einsichtigen Worten müssen jetzt auch Taten folgen: die Rücknahme der Steuerbefreiung für Hoteliers.“