Alle Mehrwertsteuersätze sollen auf den Prüfstand. Erste Beschlüsse am Wochenende
Berlin. Die Bundesregierung will mit ihren Einsparungen 2011 noch über das unbedingt erforderliche Maß hinausgehen. Regierungssprecher Ulrich Wilhelm sagte, die neue Schuldenbremse im Grundgesetz führe dazu, "dass die Sparnotwendigkeiten für das Jahr 2011 noch nicht die Härtesten sind". Es werde in den Jahren danach zu weiter steigenden Auflagen kommen.
"Die Bundesregierung wird deshalb aber, um hier zu einer besseren Gestaltung der Strecke der Sparmaßnahmen zu kommen, auch im Jahr 2011 bereits mehr einsparen, als unbedingt erforderlich wäre", sagte Wilhelm. Jedenfalls seien "tief greifende Einsparungen" nötig. Die Grundlagen der künftigen Sparpolitik will das Bundeskabinett am kommenden Wochenende bei einer Klausurtagung festlegen.
Der Hauptakzent werde dabei auf der Ausgabenseite liegen, allerdings werde auch der Abbau von Subventionen eine Rolle spielen. "Die Rückkehr zu soliden Staatsfinanzen, zur Einhaltung der Maastricht-Kriterien, ist auch für uns eine ganz selbstverständliche europäische Verpflichtung", sagte Wilhelm. Die Koalition muss von 2011 bis 2016 jedes Jahr zehn Milliarden Euro sparen, um die Schuldenbremse im Grundgesetz einzuhalten.
Um diesem Ziel näher zu kommen, ist Schwarz-Gelb offenbar auch bereit, sich von gerade erst beschlossenen Maßnahmen wieder zu verabschieden. So könnte die umstrittene Steuererleichterung für Hoteliers schon bald wieder fallen - jedenfalls nach Auffassung des haushaltspolitischen Sprechers der FDP-Bundestagsfraktion, Otto Fricke. Er sagte der "Süddeutschen Zeitung": "Wer das Steuersystem vereinfachen will, muss den Steuerdschungel lichten. Es ist niemandem zu erklären, dass etwa Babywindeln mit 19 und edle Zuchtpferde mit sieben Prozent besteuert werden." Vor diesem Hintergrund müsse auch das vor Kurzem erst eingeführte Mehrwertsteuerprivileg für Hotelübernachtungen "auf den Prüfstand gestellt" werden.
Dabei war die Maßnahme allein auf Druck von Liberalen und CSU in das sogenannte "Wachstumsbeschleunigungsgesetz" aufgenommen worden. Der SPD-Haushaltsexperte Johannes Kahrs interpretierte die Rolle rückwärts als Indiz für den "fehlenden finanzpolitischen Kompass der Koalition": "Mit nachhaltiger Haushaltspolitik hat das nichts mehr zu tun", sagte Kahrs dem Abendblatt. "Diese Regierung entscheidet kurzfristig nach Nachrichtenlage, Überzeugungen spielen keine Rolle mehr. Davon abgesehen hätte die Steuersenkung für Hoteliers niemals beschlossen werden dürfen."
Mit der Absenkung des Mehrwertsteuersatzes für das Hotelgewerbe von 19 auf sieben Prozent sollten grenznahe Beherbergungsbetriebe im Wettbewerb mit ausländischen Konkurrenten unterstützt werden. Die Steuererleichterung war parteiübergreifend kritisiert und von der Opposition als "Klientelwirtschaft" gewertet worden. Die FDP-Fraktionschefin Birgit Homburger sagte nach den teils scharfen Auseinandersetzungen vom Wochenende, die Koalition sei trotz der zu erwartenden harten Verhandlungen nicht in Gefahr. Auf die Frage, ob die FDP die Koalition mit der Union bei Steuererhöhungen beenden werde, sagte die FDP-Fraktionschefin: "Steuererhöhungen für Otto Normalverbraucher wird die FDP nicht zulassen. Das weiß die Union, deshalb werden wir einen gemeinsamen Weg finden."
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hatte die Bürger am Wochenende auf harte Einschnitte eingestimmt und auch Steuererhöhungen nicht ausgeschlossen. Nordrhein Westfalens amtierender Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) sagte, bei der Kürzung von Subventionen sei entscheidend, dass die Konjunktur keinen Schaden nehme und die Entscheidungen nicht nur wirtschaftlich vernünftig, sondern auch sozial gerecht seien.
Allerdings sind nach Informationen des Abendblatts neben Einschnitten im Wehretat auch Kürzungen im Bereich Soziales vorgesehen. Weder das Familienministerium noch das Arbeitsministerium konnten aber beziffern, welche Summe sich einsparen ließe, wenn die nach Abendblatt-Informationen angestrebte Abschaffung des Elterngeldes für Hartz-IV-Empfänger tatsächlich beschlossen wird.