In der Debatte um den Ehrensold erhebt ehemaliger Bundespräsident Christian Wulff Anspruch auf weitere Leistungen auf Staatskosten.
Hamburg. Christian Wulff scheint die Debatte um den umstrittenen Ehrensold in Höhe von 199.000 Euro pro Jahr, die dem ehemaligen Bundespräsidenten bis an sein Lebensende zustehen, gänzlich zu ignorieren und erhebt Anspruch auf weitere Leistungen auf Staatskosten. Wulff wolle ein Büro samt Mitarbeiter für etwa 280.000 Euro pro Jahr zur Verfügung gestellt bekommen, berichtete der "Spiegel“. Unterdessen sorgte am Wochenende ein möglicher weiterer Freundschaftsdienst für Wulff für Irritationen. Nun prüft die Staatsanwaltschaft eine Anstellung seiner Ex-Frau. Von Telefondaten, die bei der Durchsuchung in Wulffs Privathaus gesichert wurden, erhoffen sich die Ermittler zudem Aufklärung zum Vorwurf der Vorteilsannahme gegen den Ex-Präsidenten.
Christian Wulffs angeblicher Wunsch nach einem Büro und Mitarbeitern, wie sie auch andere frühere Bundespräsidenten haben, sorgte umgehend für Kritik. Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Renate Künast riet Wulff, "einen Moment innezuhalten und zunächst alle Vorwürfe zu klären“. Der 52-Jährige beschädige das Ansehen der Politik insgesamt und auch das des Amtes des Bundespräsidenten, "wenn die Kluft zwischen seinem Handeln und dem Gerechtigkeitsempfinden immer weiter wächst.“
+++ Durchsuchung von Wulff-Haus nach knapp vier Stunden beendet +++
+++ Debatte um Ehrensold für Wulff +++
Falls das Bundespräsidialamt ein Büro und Mitarbeiter für das ehemalige Staatsoberhaupt beantragt, müssen das Bundesfinanzministerium und der Haushaltsausschuss entscheiden. Staatsrechtler Hans Herbert von Arnim forderte den Ausschuss auf, die Zuwendungen zu verweigern: "Christian Wulff ist unehrenhaft aus dem Präsidentenamt ausgeschieden. Er wird kaum mehr nachamtliche Repräsentationspflichten für Deutschland glaubwürdig ausüben können“, sagte er der "Bild am Sonntag“.
Bereits die Entscheidung, Wulff einen Ehrensold von 199.000 Euro jährlich zu zahlen, hatte am Wochenende eine Grundsatzdebatte über die Bezüge von Altbundespräsidenten ausgelöst. Politiker aus Koalition und Opposition erwägen, die Zahlungen künftig vom Alter des Ex-Präsidenten und der Dauer seiner Amtszeit abhängig zu machen.
Die SPD will den Ehrensold von einem eigens eingesetzten Gremium neu regeln lassen. "Ich schlage dazu eine überparteiliche Reformkommission unter Leitung des Bundestagspräsidenten vor“, sagte SPD-Fraktionsvize Hubertus Heil der "Rheinischen Post“ (Montagausgabe). Linke-Chef Klaus Ernst forderte im Abendblatt, künftig alle Politiker und Staatsbedienstete in die gesetzliche Rentenkasse einzahlen zu lassen.
Am Freitagabend hatte die Staatsanwaltschaft Hannover etwa vier Stunden lang das Privathaus von Wulff durchsucht. Die Ermittler machten dabei vor allem Kopien von Wulffs Handy- und Computerdaten. Auch einzelne Unterlagen seien mitgenommen worden, sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Hans-Jürgen Lendeckel. Die Daten sollen nun ausgewertet werden.
Laut "Spiegel“ wollen die Ermittler mithilfe der Telefondaten herausfinden, wie und wann Wulff mit dem Filmproduzenten David Groenewold kommuniziert hat. Der Filmunternehmer hatte Wulff zwei Urlaubsaufenthalte auf Sylt vorfinanziert. Später soll der damalige niedersächsische Regierungschef die Kosten bar zurückgezahlt haben.
Als der Bundespräsident deshalb Anfang des Jahres unter Druck geriet, verlangte Groenewold vom entsprechenden Hotel auf Sylt die Herausgabe einer Kopie der Hotelrechnung. Sollte dieser Vorgang mit Wulff abgesprochen gewesen sein, könnte dies den Druck auf den Ex-Präsidenten erhöhen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt in diesem Zusammenhang wegen Vorteilsannahme.
Zudem interessieren sich die Ermittler nun für Wulffs Ex-Frau Christiane. Nach der Scheidung wurde sie im November 2008 bei der Osnabrücker Rechtsanwaltskanzlei Schindhelm angestellt, ohne jemals für diese tätig zu werden. Die Kosten der Anstellung übernahm von Anfang an die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PwC), die Frau Wulff nach PwC-Angaben als Halbtagskraft einsetzte. "Die Staatsanwaltschaft Hannover prüft diesen Sachverhalt auf seine strafrechtliche Relevanz“, sagte Lendeckel.
Im Visier der Ermittler steht laut "Welt am Sonntag“ Norbert Winkeljohann, PwC-Vorstandssprecher in Deutschland. Er hatte mit dem Ehepaar Wulff bis zu dessen Scheidung in derselben Straße in Osnabrück gewohnt und Christiane Wulffs Anstellung eingefädelt. PwC ist in Niedersachsen für die Prüfung der Vergabe von Bürgschaften zuständig und hatte auch die Zusage für eine Landesbürgschaft an Groenewold im Jahr 2006 überprüft. Ob diese Abläufe Gegenstand der staatsanwaltlichen Ermittlungen sind, wollte Lendeckel nicht sagen.
Von Julia Spurzem