Warum Rechtsterroristen in Deutschland jahrelang morden und rauben konnten, sollen ein Ausschuss und Kommission klären.
Berlin. Einstimmig hat das Bundeskabinett am Mittwoch einen Neonazi-Untersuchungsauschuss beschlossen. Eine vierköpfige Bund-Länder-Kommission soll bis 2013 vor allem die Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern im Zusammenhang mit der Zwickauer Neonazi-Zelle hinterfragen. Schon morgen kommt das Gremium zu seiner ersten Sitzung zusammen.
Einem Untersuchungsauftrag zufolge soll geklärt werden, warum die Zwickauer Terrorzelle so lange Straftaten begehen konnten, ohne dass Polizei und Verfassungsschutz sie im Visier hatten. Ein Schwerpunkt wird die Frage sein, ob der Einsatz von Vertrauensleuten (V-Leuten) des Verfassungsschutz im Zusammenhang mit der Zwickauer Zelle eine Rolle spielte. Inwiefern ist dieser Untersuchungsausschuss anders als frühere?
Ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss gilt als schärfste Waffe der Opposition. Der Ausschuss zur Aufarbeitung der Neonazi-Mordserie soll aber kein klassisches Kampfinstrument der Opposition gegen die Regierung sein. Alle Fraktionen erklärten, primär an Aufklärung interessiert zu sein. Die Grenzen zwischen Regierung und Opposition verwischen hier schon deshalb, weil alle Parteien außer der Linken zwischen 1992 und 2011 in Bund oder in den betroffenen Bundesländern politisch in der Verantwortung waren. Wann sollen Ergebnisse des Untersuchungsausschusses vorliegen?
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Das Gremium soll seine Arbeit vor der Bundestagswahl 2013 beenden. Wegen des Zeitdrucks kann es einen Sonderermittler einsetzen. Zudem arbeitet eine vierköpfige Bund-Länder-Kommission die Vorgänge um die Zwickauer Zelle auf. Die Kommission soll sich auch auf die Ergebnisse der U-Ausschüsse in Erfurt und im Bundestag stützen. Einen Wettlauf um Zeugen und Akten soll es erklärtermaßen nicht geben. Wo sind Knackpunkte in der Ausschussarbeit absehbar?
Ein Bundestags-Untersuchungsausschuss widmet sich zunächst einmal Untersuchungen, die Angelegenheiten des Bundes betreffen. Viele Abgeordnete sind aber überzeugt, dass auch die betroffenen Länder dem Ausschuss Akteneinsicht geben und Zeugen die Genehmigung zur Aussage erteilen müssen, wenn es um die Zusammenarbeit von Bundes- mit Landesbehörden geht. Notfalls müsste sich das Gremium das vor Gericht einklagen. Bislang setzen die Bundestagsabgeordneten aber auf eine freiwillige Kooperation der Länder mit dem Ausschuss.
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Jedoch darf kein Beamter ohne Aussagegenehmigung des Dienstherrn eine Aussage machen. Das Ausschussgesetz regelt aber auch, dass die Bundesregierung verpflichtet ist, die Aussagegenehmigungen zu erteilen. Bei „streng geheim“ oder als „geheim“ klassifizierten Passagen kann es Einschränkungen geben. Weiterer Knackpunkt: Beamte könnte mit Verweis auf die noch laufenden Ermittlungen gegen die Zwickauer Zelle zunächst eine Aussage verweigern. Was unterscheidet den Ausschuss von der Kommission?
Der Ausschuss erhebt zumeist in öffentlicher Verhandlung Beweise. Er kann Zeugen und Sachverständige laden. Dafür gibt es rechtliche Grundlagen, für die Expertenkommission fehlen hingegen solche Grundlagen. Sie ist auf die freiwillige Kooperation angewiesen. Jedoch wird die Kommission von der Innenministerkonferenz, in der die Innenminister von Bund und Länder sitzen, mitgetragen.
Die Bund-Länder-Expertenkommission soll einen Arbeitsstab im Bundesinnenministerium bekommen. Ihr gehören vier Mitglieder an: Berlins ehemaliger Innensenator Ehrhart Körting (SPD), Hamburgs ehemaliger Innensenator Heino Vahldieck (CDU), der Münchner Strafrechtsexperte Eckhart Müller (auf Vorschlag der FDP) und der frühere Bundesanwalt am Bundesgerichtshof Bruno Jost (Vorschlag der Grünen). (dpa)