Ein vatikanisches Dossier zeichnet ein trübes Bild des Augsburger Ex-Bischofs. Dass es gerade jetzt bekannt wurde, dürfte kein Zufall sein.
Auf die „Geheimakte“ im Fall Mixa reagierte der Vatikan-Botschafter in Berlin am Montag fast wie ein Geheimdienstler: „Wir haben nichts zu sagen, es ist uns nicht erlaubt mit Journalisten zu reden“, sagte der Nuntius, Erzbischof Jean-Claude Périsset. Das Dossier soll Medienberichten zufolge belegen, dass Mixa seit Jahren viel zu viel Alkohol trank und homosexuelle Neigungen auszuleben versuchte – indem er sich ihm abhängigen Männern genähert habe.
In Kirchenkreisen haben die Anschuldigungen kaum überrascht. „Beide Vorwürfe kursieren schon seit vielen Jahren“, sagte Ulrich Ruh, Chefredakteur der renommierten theologischen Fachzeitschrift „Herder Korrespondenz“. Hinzu kommt, dass der Fall Mixa eigentlich abgehakt schien. Am 21. April hatte der Augsburger Oberhirte nach den zunehmend erhärteten Prügel-Vorwürfen – Mixa soll früher Heimkinder geschlagen haben – sein Rücktrittsgesuch eingereicht und Papst Benedikt XVI. am 8. Mai den Rücktritt angenommen. Inwieweit das Dossier dabei mitentscheidend war, ist unklar, es lag aber im Vatikan damals vor.
Roma locuta, causa finita – Rom hat gesprochen, die Sache ist beendet? In diesem Fall nicht. In einem großen „Welt“-Interview vom 16. Juni stellte sich Mixa als Opfer dar, dem Unrecht widerfahren sei. Er sei nur unter großem Druck des Münchner Erzbischofs Reinhard Marx und des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, zurückgetreten. Rom habe auf Grundlage falscher Informationen entschieden, sagte Mixa und erwog sogar den Gang vor den Päpstlichen Gerichtshof. Damit drohte die Gefahr der Legendenbildung, heißt es in Kirchenkreisen. Mixa-Anhänger streuten zudem Darstellungen, hier gehe es um Kirchenpolitik – liberale Kräfte versuchten den Romtreuen Mixa abzuservieren.
Wie eine mediale Gegenoffensive dürften auf Mixa jetzt die Berichte über die „Geheimakte“ des Vatikans wirken. Danach erscheint Mixa als kranker, labiler Mann, der unter Wirklichkeitsverlust leidet und seine sexuellen Neigungen nicht unter Kontrolle hat(te) – also als ein Geistlicher, der für eine neue seelsorgerische Aufgabe nicht mehr infrage kommt – aber genau die strebt der 69-Jährige an. Er hofft auf das ihm zugesagte Gespräch im Juli mit dem Papst, auch wenn der Vatikan bereits klargemacht hat, dass eine Rückkehr auf den Bischofsstuhl ausgeschlossen ist. „Ein Strauchelnder hat versucht, Kirchenrepräsentanten wie Zollitsch und Marx mitzureißen, das musste klargestellt werden“, meinte ein Insider über das wenige Tage nach dem „Welt“-Interview bekanntgewordene Dossier, das bereits aus dem April stammen soll.
Wer hatte es in Auftrag gegeben? In Kirchenkreisen heißt es unter vorgehaltener Hand, dass Nuntius Périsset zunächst Kontakt zu Mixa gesucht haben soll, aber abgeblitzt sei. Daraufhin habe er das Dossier angefordert, wohl nicht ohne Kenntnis des Augsburger Administrators Josef Grünwald und Weihbischofs Anton Losinger - offizielle Bestätigungen gibt es aber dafür nicht. Mit Bekanntwerden der Einzelheiten über Mixas Trinkverhalten und angebliche homosexuellen Präferenzen dürfte Mixas Ansehen in der Öffentlichkeit endgültig nicht mehr zu retten sein, heißt es in Kirchenkreisen.
Warum wird der Papst im Juli Mixa dann überhaupt zum persönlichen Gespräch empfangen? „Es dürfte sich allein um eine menschliche Geste handeln“, sagte Ruh. Der Theologe Hans Küng sieht darin aber auch eine indirekte Anerkennung der Loyalität Mixas zu Rom. Bei theologischen Abweichlern wie ihm – Küng – selbst oder dem Befreiungstheologen Leonardo Boff, habe Joseph Ratzinger eine viel härtere Linie gefahren. Über die besondere Rolle der Nuntiaturen hat Küng eine klare Meinung: „Das ist auch ein Geheimdienst, der in aller Form geführt wird.“ Seit langem gebe es ja deshalb den ironischem Begriff der „De- Nuntiaturen“, sagte Küng am Montag. Es hänge aber stets vom jeweiligen Nuntius ab, wie er Berichte für Rom verfasse. Seit seiner vom Vatikan beanstandeten Dissertation über Karl Barth 1957 werde seine Akte unter der Nummer „399/57i“ geführt.
Welche Lehren sollte die Kirche aus dem Fall Mixa ziehen? Nach Ansicht Ruhs ist vor allem klar geworden, dass Bischofsernennungen durch Rom allein – wenn auch auf Grundlage von Vorschlagslisten – ein hohes Risiko personeller Fehlentscheidungen mit sich bringen. In anderen deutschen Diözesen wählt das Domkapitel aus einem Dreier- Vorschlag Roms. Dieses Domkapitel-Wahlrecht gibt es in Bayern nicht. „In Bayern hat es wohl die meisten umstrittenen Bischofsernennungen gegeben“, sagte Ruh und verwies neben Mixa auch auf die Bistümer Passau und Regensburg.