Während Guttenberg gegen die Opposition wettert, verlangen die Grünen eine Regierungserklärung und die NATO fordert 3000 weitere Soldaten.
Berlin. In der Affäre um den Luftangriff von Kundus ist Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg zum Gegenangriff auf die Opposition übergegangen. Zugleich räumte der Minister, der von den Unionsparteien demonstrativ Rückendeckung für sein Vorgehen bekam, ein, dass auch Taliban Ziel des Angriffes gewesen seien.
SPD-Chef Sigmar Gabriel und Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin müssten aufpassen, dass sie sich nicht selbst den Vorwurf der Täuschung der Öffentlichkeit einhandelten, sagte der CSU-Politiker am Montag in München. „Die Opposition hat spätestens seit 3. November auch die Möglichkeit gehabt, den Com-Isaf-Bericht einzusehen. Ich gehe davon aus, dass die beiden Herren lesen können“, sagte er.
Ziel des Luftangriffs von Kundus seien nicht nur die beiden geraubten Tanklaster gewesen, sagte Guttenberg. Die Bomben hätten auch Mitglieder der Taliban treffen sollen, sagte er. „Auch die Taliban waren Ziel dieses Bombardements, auch die Taliban, auch die Lastwagen.“ Die Fraktionen des Bundestags seien am 6. November auf seine Veranlassung hin darüber unterrichtet worden. Der CSU-Politiker rückte damit von der lange von der Bundesregierung vertretenen Linie ab, wonach vor allem die beiden von Taliban entführten Laster zerstört werden sollten, um nicht als rollende Bomben eingesetzt zu werden.
Die Grünen fordern Merkel schriftlich zur Regierungserklärung auf
Die Grünen-Fraktionschefs Trittin und Renate Künast forderten Kanzlerin Angela Merkel in einem Brief auf, noch in dieser Woche im Bundestag eine Regierungserklärung dazu abzugeben. Insbesondere müsse die Kanzlerin sagen, ob sich das Mandat der Bundeswehr in Afghanistan verändert habe. „Die deutsche Öffentlichkeit hat jenseits der anstehenden Aufklärung im Untersuchungsausschuss ein Recht darauf, dass die Frage beantwortet wird, ob die im Sommer 2009 von der Bundesregierung veränderte militärische Strategie in Afghanistan die Möglichkeit des gezielten Tötens Verdächtiger umfasst“, heißt es in dem Schreiben.
Die Unionsfraktion beantragte für diese Woche im Bundestag eine Aktuelle Stunde zu Kundus. Regierungssprecher Ulrich Wilhelm betonte, es habe keinen fundamentalen Wandel in der deutschen Strategie in Afghanistan gegeben.
SPD-Chef Gabriel bekräftigte seine Kritik an Guttenberg und forderte, wenn der Minister seine Widersprüche nicht aufklären könne, müsse er wie sein Vorgänger Franz Josef Jung die Konsequenz ziehen. Der SPD-Außenexperte Rolf Mützenich warf Guttenberg vor, die Verantwortung abzuschieben und zu wenig zur Aufklärung beizutragen. „Zu viel Talkshows, zu wenig Substanz“, sagte er im Deutschlandfunk.
Guttenberg, seit Tagen in zahlreichen Talkrunden präsent, hatte er erst am Sonntagabend in einer RTL-Show zu Rücktrittsforderungen geantwortet: „Ich werde definitiv, auch wenn's mal stürmt, stehen bleiben.“
Außenminister Guido Westerwelle hielt sich in der Debatte bedeckt. Das Bundestagsmandat sei Grundlage des Einsatzes am Hindukusch. „Ob in jedem Einzelfall im Einklang mit unserem Mandat gehandelt worden ist, kann ich fachlich aus nachvollziehbaren Gründen nicht entscheiden“, sagte der FDP-Chef.Der Bundeswehrverband nahm Guttenberg in Schutz. Ein weiterer Minister-Rücktritt helfe nicht weiter, sagte Verbandschef Ulrich Kirsch dem Hessischen Rundfunk. Er forderte allerdings eine Überprüfung der Einsatzregeln für die deutschen Soldaten am Hindukusch. Es habe sich gezeigt, dass diese nicht mehr ausreichten.
Die NATO fordert für den Norden Afghanistans eine Aufstockung der ausländischen Truppen in einer Größenordnung von bis zu 3000 zusätzlichen Soldaten. Der deutsche NATO-General Karl-Heinz Lather sprach am Montag im militärischen Hauptquartier der NATO (SHAPE) in Mons von zwei zusätzlichen „Manöverelementen“. Es ist das erste Mal, dass die NATO für den unter deutschem Kommando stehenden Norden Afghanistans eine umrissartig bezifferte Anforderung zur Truppenaufstockung bekanntgab.