Beim den Steuersenkungen drohen die Ministerpräsidenten mit einem Nein im Bundesrat. Massiver Widerstand aus Schleswig-Holstein.

Hamburg/Kiel. Im Streit um die für 2010 geplanten Steuersenkungen gehen immer mehr Ministerpräsidenten der Union auf Konfrontationskurs zu Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihre schwarz-gelbe Koalition. Thüringens Regierungschefin Christine Lieberknecht (CDU) drohte offen mit einem Nein im Bundesrat. Die Steuerausfälle seien für ihr Land "nicht verkraftbar", sagte sie im ZDF. Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU) bekräftigte gestern seine Ablehnung. "Im Augenblick kann Sachsen-Anhalt dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz noch nicht zustimmen", sagte er dem Hamburger Abendblatt. Das Kabinett entscheide im Dezember über das Abstimmungsverhalten im Bundesrat. Bereits am Donnerstag gab es bei einem Kamingespräch der Kanzlerin mit den Ministerpräsidenten der Union eine ungewöhnlich heftige Auseinandersetzung. Wie "Focus" berichtet, rief Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) in den Raum: "Ihr habt sie doch nicht alle." Solange sein Land vom Bund keinen "fairen Ausgleich" für die Steuerausfälle bekomme, könne er nicht mit seiner Zustimmung rechnen, drohte er. Wenn sein Land gezwungen werde, dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz zuzustimmen, "dann schmeiß ich halt hin und mach was anderes", zitierte ihn das "Handelsblatt". Der schleswig-holsteinische Regierungssprecher Knut Peters versuchte diese Darstellung zu relativieren. Carstensen habe "nicht unmittelbar" mit Rücktritt gedroht, sagte er dem Hamburger Abendblatt.

Rückendeckung bekam Carstensen bei dem Kamingespräch von seinem saarländischen Kollegen Peter Müller (CDU). Für das Saarland gelte das, was der schleswig-holsteinische Regierungschef gesagt habe, erst recht, und zwar "hoch drei". Auch die schleswig-holsteinische FDP lehnt die Steuerpläne - im Gegensatz zur Haltung der Bundesspitze der Liberalen - strikt ab. "Schleswig-Holstein ist am Ertrinken", sagte Fraktionschef Wolfgang Kubicki dem Abendblatt. "Wir brauchen einen Rettungsring, kriegen vom Bund aber eine Bleiweste."

Kanzlerin Merkel wandte sich entschieden gegen die Forderung mehrerer Landesregierungen nach einem Ausgleich für die Ausfälle. Sie sei nicht bereit, "einen Basarhandel" über das Wachstumsbeschleunigungsgesetz zu eröffnen, sagte sie laut "Spiegel". Auch Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) machte deutlich: "Wir pokern nicht." Das Sofortprogramm diene der Stabilisierung der konjunkturellen Entwicklung. "Jedes Bundesland trägt die Verantwortung mit", mahnte Schäuble.

Mit dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz sollen ab dem 1. Januar 2010 Bürger und Unternehmen um jährlich 8,5 Milliarden Euro entlastet werden. Doch nun wackelt das zentrale Projekt der schwarz-gelben Bundesregierung - auch wenn mächtige Ministerpräsidenten daran festhalten wollen. Bayerns Regierungschef Horst Seehofer warnte in der "Bild am Sonntag": "Wir haben die Steuersenkungen den Menschen vor der Wahl versprochen und dürfen jetzt nach der Wahl unser Wort nicht brechen." Das Kamingespräch bei der Bundeskanzlerin am Donnerstag soll der CSU-Vorsitzende schon nach einer Stunde verlassen haben - höchst verärgert über die massive Kritik einiger seiner CDU-Amtskollegen.