Bundeskanzlerin Angela Merkel würdigt das Engagement der DDR-Bürgerrechtler – und bittet zum Fest der Freiheit.
Berlin. Es ist ein Tag der großen Gefühle, der ganz persönlichen Erinnerungen und der staatsmännischen Gesten der Mächtigen der Welt: Zum "Fest der Freiheit" erwartet Deutschland heute Hunderttausende Gäste am Brandenburger Tor und die Crème de la Crème der internationalen Politik.
Schon vor Beginn des 20. Jahrestags des Mauerfalls waren am Wochenende in Berlin Zehntausende Besucher aus der ganzen Welt zu den Hauptschauplätzen des historischen Ereignisses geströmt. Attraktion Nummer eins war die Domino-Galerie - jener symbolische Nachbau der Mauer aus 1000 bemalten Styropor-Dominosteinen, die den ehemaligen Mauerverlauf zwischen Potsdamer Platz, Brandenburger Tor und Reichstag markieren.
Heute Abend werden der ehemalige polnische Gewerkschaftsführer und spätere Präsident Lech Walesa sowie der frühere ungarische Ministerpräsident Miklos Nemeth zum Höhepunkt des großen Fests am Brandenburger Tor die ersten beiden Steine umstoßen. Sie bringen damit symbolisch eine Kettenreaktion in Gang - so, wie es die Revolution gegen den Kommunismus in den östlichen Nachbarstaaten, die schließlich die DDR erfasste, vermocht hatte.
Bundestagspräsident Norbert Lammert hat daran gestern noch einmal erinnert, während Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) vor allem die Rolle der DDR-Bürgerrechtler und der Kirchen beim Ende der DDR hervorhob. Heute Nachmittag will die Kanzlerin mit Vertretern dieser Gruppen und Zeitzeugen über die Brücke der Bornholmer Straße gehen. Da, wo sie selbst und viele Tausende DDR-Bürger ab 23.25 Uhr zuerst in den Westteil Berlins drängten. "Es war eine herrliche Atmosphäre", erinnerte sich Merkel in der "B.Z. am Sonntag". Sie sei in jener Nacht wie viele andere Ost-Berliner von einer wildfremden Familie eingeladen worden.
Gestern eröffnete die Kanzlerin das "Freiheitsmuseum" in der Villa Schöningen an der Glienicker Brücke in Potsdam. Es beschäftigt sich mit der deutsch-deutschen Geschichte und den Folgen der Teilung. Die Villa Schöningen, die Neubauten weichen sollte, wurde 2007 vom Axel-Springer-Vorstandsvorsitzenden Mathias Döpfner und dem Manager Leonhard Fischer gekauft. Die Eigentümer ließen das Haus denkmalgerecht zum "Symbol der deutschen Teilung und Wiedervereinigung" restaurieren.
Nachdenklich äußerte sich der frühere Beauftragte für die Stasi-Unterlagen, Joachim Gauck: Er sehe bei vielen Ostdeutschen weiter Skepsis gegenüber dem vereinten Deutschland. "Die Freude an der Freiheit hat sich in Furcht vor der Freiheit verwandelt", so der frühere DDR-Bürgerrechtler. Besonders die "von einer Partei" betriebene politische Nostalgie fördere die Ablehnung Gesamtdeutschlands, sagte Gauck mit Blick auf die Linkspartei, die aus der DDR-Staatspartei SED hervorgegangen ist.
Nostalgische Gefühle offenbarte unterdessen der russische Regierungschef Wladimir Putin, der früher KGB-Offizier in Dresden gewesen war: Er erinnere sich "noch heute an die Wärme und Herzlichkeit" der Menschen in Ostdeutschland, sagte Putin.
Nicht nur in Berlin, sondern an vielen anderen Orten rund um den Globus gedenken die Menschen heute des Mauerfalls vor 20 Jahren. Zur größten Feier im Ausland werden am Abend Tausende Franzosen auf dem Pariser Place de la Concorde erwartet. Eine Licht- und Tonschau soll per Live-Schaltung mit dem Festakt in Berlin verknüpft werden. Auch in London und Los Angeles stehen die Feierlichkeiten zum Mauerfall im Zeichen der Kunst. In London ziehen die britische Künstlerin Manon Awst und ihr Kollege, der gebürtige Dresdner Benjamin Walther, vor der Deutschen Botschaft auf dem Belgrave Square eine 3,5 Meter hohe Eis-Mauer auf. Im Laufe des Tages wird das Kunstwerk nach und nach schmelzen. In der serbischen Hauptstadt Belgrad, in Warschau und Madrid sind ähnliche Aktionen geplant.