Bunte Dominosteine am Brandenburger Tor und Kunstprojekte rund um den Globus. Nur Exkanzler Helmut Kohl fehlt.
Berlin/Hamburg. Deutschland feiert am 9. November den Fall der Mauer vor 20 Jahren mit einem Fest der Freiheit in Berlin. Die Staats- und Regierungschefs aller EU-Mitgliedsstaaten, US-Außenministerin Hillary Clinton und der russische Präsident Dmitri Medwedew werden am Montag zu den Feierlichkeiten in Berlin erwartet. Auch Bundespräsident Horst Köhler und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) haben ihr Kommen angesagt.
Am Abend des historischen Tages werden am Brandenburger Tor neben Merkel die Repräsentanten der vier ehemaligen Alliierten sprechen. Die Staatsgäste werden gemeinsam durch das Wahrzeichen der deutschen Hauptstadt schreiten, das einst Symbol der Teilung war. Hunderttausende Besucher werden erwartet. Am 9. November erinnert Deutschland aber auch an die Pogromnacht von 1938 und die Verfolgung Tausender jüdischer Bürger durch die Nationalsozialisten.
Nach mehr als 28 Jahren der Teilung hatte SED-Politbüromitglied Günter Schabowski am Abend des 9. November 1989 überraschend und fast beiläufig die Öffnung der DDR-Grenzen verkündet. „Das tritt nach meiner Kenntnis...ist das sofort...unverzüglich“, hatte er die Weltsensation vor laufenden Kameras gestammelt. Der „Kanzler der Einheit“, Helmut Kohl, hat seine Teilnahme an den Feierlichkeiten abgesagt. Bei seinem öffentlichen Auftritt vor einer Woche hatte der Altkanzler gesundheitlich stark angeschlagen gewirkt.
Rund 1000 bemalte, übermannsgroße Dominosteine sollen bei dem Fest der Freiheit am Brandenburger Tor umstürzen und damit symbolisch an den Mauerfall erinnern. Die etwa anderthalb Kilometer lange, bunte Mauer reicht vom Reichstag bis zum Potsdamer Platz. Schüler, Künstler und Prominente aus vielen Ländern haben die Kunststoff-Mauersegmente gestaltet. Den ersten Stein der Dominokette wird der Mitbegründer der polnischen Gewerkschaft Solidarnosc und frühere Staatspräsident Lech Walesa anstoßen. Die Domino-Galerie ist bereits ab Sonnabend zu sehen.
Nach Ansicht von Kanzlerin Merkel sind die großen Unterschiede im Leben der Deutschen in Ost und West 20 Jahre nach dem Mauerfall verschwunden. „In vielen Bereichen haben sich die Lebensverhältnisse bereits weitgehend angeglichen“, sagte Merkel der „Leipziger Volkszeitung“. Die DDR sei ein Unrechtsstaat gewesen, „weil sie auf Unrecht aufgebaut war“. Durch das DDR-Grenzregime starben an der Berliner Mauer nach Recherchen des Potsdamer Zentrums für Zeithistorische Forschung mindestens 136 Menschen.
Merkel erweist an dem Jubiläumstag auch den DDR-Bürgerrechtlern ihre Reverenz, die als erste für Veränderungen in der DDR eintraten. Geplant ist um 15 Uhr ein gemeinsamer historischer Spaziergang über die Bornholmer Brücke. Neben den Bürgerrechtlern werden auch der frühere sowjetische Staatschef Michail Gorbatschow sowie Lech Walesa daran teilnehmen. Der Grenzkontrollpunkt war der erste in der historischen Nacht, über den die Massen in den Westen stürmten. Auch Merkels erster West-Ausflug führte über diese Brücke.
Während der Feierlichkeiten gilt in der Hauptstadt die höchste Sicherheitsstufe. Tausende Polizisten sind im Einsatz, Unterstützung kommt auch aus anderen Bundesländern und von der Bundespolizei. US-Außenministerin Clinton reist bereits am Sonntag an.
Am Brandenburger Tor spielt am Abend auch die Staatskapelle Berlin unter Daniel Barenboim. Der Urenkel des Komponisten Richard Wagner kritisierte indes die Musikauswahl. Techno-DJ Paul von Dyk präsentiert die eigens zu dem Jahrestag komponierte Hymne „We are one“. Zum Abschluss wird ein Feuerwerk in den Nachthimmel über Berlin steigen.
Deutsche Botschaften in aller Welt erinnern ebenfalls an den Mauerfall. Aktionen gibt es unter anderem in London, Los Angeles und Washington, wie das Auswärtige Amt mitteilte. In Los Angeles sollen dreieinhalb Meter hohe Mauerstücke auf einem Boulevard von Beverly Hills zum Stau führen. In London errichtet ein walisisches Ehepaar in der Nacht zum 9. November eine mehrere Meter hohe Eismauer auf dem Belgrave Square. In Washington können in zwei Museen originale Mauerstücke und Trabis bestaunt werden. In Buenos Aires und Tokio prangen an den Außenwänden der Botschaftsgelände großformatige Fotos vom Mauerfall.
Mit Friedensgebeten, Ausstellungen, Diskussionen und Lesungen wird auch in vielen anderen Orten an den Fall der Mauer erinnert. Die Landtage von Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein treffen sich zu einer gemeinsamen Festveranstaltung im Schweriner Schloss. In Thüringen sollen Kirchenglocken läuten. Das bayerische Kabinett hat eine Sitzung im Rathaus von Hof geplant. In Hof waren in den Wochen vor dem Mauerfall Tausende DDR-Flüchtlinge mit Sonderzügen angekommen. (dpa/HA)