Die Koalitionspartner wollen verbindliche Sprachstandstests für alle Vierjährigen sowie eine gezielte Sprachförderung unterstützen.
Berlin/Hamburg. Bloß keine Eile jetzt. Die Bundeskanzlerin höchstpersönlich ließ am Freitag wissen, dass so schnell mit einer vollständigen Einigung nicht zu rechnen sei. Mit Blick auf den koalitionären Wochenendmarathon sagte Angela Merkel, in dieser Sitzung werde man "mit Sicherheit nicht" fertig. Zu viele Streitpunkte sind nach wie vor ungeklärt: Ganz vorne auf der Konfliktliste stehen noch die Bereiche Haushalt und Gesundheit. Und so rechnen alle Beteiligten nicht mit einem Abschluss der Verhandlungen vor Mittwoch. Dann aber, so die Planung, solle ein Textentwurf für den Koalitionsvertrag stehen.
Dicke Pflöcke wurden am Freitag aber im Bereich Bildung eingeschlagen. Jedes Kind muss künftig nach den Vorstellungen von Union und FDP bereits vor Schuleintritt die deutsche Sprache beherrschen. Dazu wollen die Koalitionspartner verbindliche und bundesweit vergleichbare Sprachstandstests für alle Vierjährigen unterstützen, wie die amtierende Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) am Rande der Koalitionsverhandlungen mitteilte.
Bei Bedarf soll es dann noch vor der Einschulung eine gezielte und verpflichtende Sprachförderung geben, ebenso auch darüber hinausgehende unterrichtsbegleitende Sprachprogramme. Schavan bestätigte, dass die Koalition künftig auch ein Bildungssparen fördern will. Dazu werde die Bundesregierung jedem neu geborenen Kind ein sogenanntes Zukunftskonto mit einem Startguthaben von 150 Euro einrichten und weitere Einzahlungen bis zur Volljährigkeit mit einer Prämie unterstützen - ähnlich wie beim Bausparen. Die Studienförderung solle künftig aus einem "Dreiklang aus BAföG, Bildungsdarlehen und Stipendien" bestehen, sagte Schavan. Die besten zehn Prozent aller Studenten in Deutschland sollen künftig durch vom Staat mitfinanzierte Stipendien gefördert werden.
Geplant ist eine Förderung von 300 Euro im Monat, die zur Hälfte von der Privatwirtschaft und zur Hälfte vom Staat finanziert werden soll. Insgesamt soll erheblich mehr Geld in die Bildung fließen, die offenbar zum Prestigethema der schwarz-gelben Koalition werden soll: In den nächsten vier Jahren sollen hier zwölf Milliarden Euro zusätzlich ausgegeben werden. Hinter den Kulissen ringen Union und FDP noch heftig um die Besetzung des Ministeriums, das offenbar zu einer Art Zukunftsministerium ausgebaut werden soll. Schavan will im Amt bleiben, aber auch die Liberalen beanspruchen das Ressort für sich.
Als Schavans Konkurrentin gilt FDP-Vizefraktionschefin Cornelia Pieper. In der Union hat man das nach Abendblatt-Informationen mit Unbehagen zur Kenntnis genommen. Denn im Bildungsbereich will die CDU/CSU in den kommenden vier Jahren unbedingt Gestaltungskompetenz demonstrieren. Ein Unterhändler: "An diesem Ministerium müssen wir um jeden Preis festhalten."
Den größten Beratungsbedarf gab und gibt es bei der Finanzierung der gesetzlichen Krankenkassen sowie den Steuerentlastungen.
In der Steuer-Arbeitsgruppe hatte es zuletzt zwar Bewegung, aber immer noch keine Einigung auf Volumen und Gegenfinanzierung der geplanten Steuersenkungen gegeben. Inzwischen hat die Union nach den Worten des CDU-Haushaltsexperten Steffen Kampeter der FDP Steuersenkungen im Umfang von 20 Milliarden Euro in den kommenden vier Jahren angeboten. Zuvor hatte das Angebot von CDU und CSU 15 Milliarden Euro betragen. Die FDP hatte im Wahlkampf noch Steuersenkungen von 35 Milliarden Euro gefordert.
Gar nicht angenähert haben sich Union und FDP bis zum Finale der Koalitionsverhandlungen in der Streitfrage der Gesundheitsfinanzen. Nach mehr als elfstündigen Verhandlungen überließ die Arbeitsgruppe Gesundheit die Kernfragen der Finanzierung der gesetzlichen Krankenkassen der großen Koalitionsrunde. Während die FDP den Einstieg in ein System mit pauschalen Beträgen wollte, die die Kassen erheben können, lehnte die CSU dies ab. "Wir wollen keine Kopfpauschale, für die die FDP große Sympathien hat", sagte Bayerns Gesundheitsminister Markus Söder (CSU). Söder lehnte solche Prämien als unsozial ab und forderte stattdessen mehr Regionalisierung bei den Kassenbeiträgen. Die FDP gab den Christsozialen die Schuld am Scheitern in der Arbeitsgruppe Gesundheit. "Es war die offensichtliche Strategie der CSU, es scheitern zu lassen", sagte FDP-Experte Daniel Bahr. "Wir wollen den Einstieg in ein Prämiensystem mit solidarischem Ausgleich - das wollte die CSU nicht." Auch in der CDU gab es Fürsprecher für eine Prämie. Bei den Zusatzbeiträgen für die Versicherten sei vorgesehen gewesen, die Grenze von einem Prozent des Einkommens entfallen zu lassen, sagte Bahr.