Als 2005 Angela Merkel (CDU) Bundeskanzlerin wurde, gab es wieder mehr Hoffnung für die innere Einheit Deutschlands.
Hamburg. Als 2005 Angela Merkel (CDU) Bundeskanzlerin wurde, gab es wohl besonders in den neuen Bundesländern verbreitet die Hoffnung, dass mit einer Ostdeutschen an der Regierungsspitze der Prozess der inneren Einheit irgendwie beschleunigt werden würde oder neue Ideen und Maßnahmen den Osten nach vorn bringen könnten. Denn nach wie vor fühlten sich trotz aller bisheriger Aufbauleistungen und Milliardentransfers viele von Kap Arkona bis Fichtelberg als Deutsche zweiter Klasse, von Arbeitslosigkeit besonders betroffen und politisch vernachlässigt.
Was hatten sich SPD und Union in Sachen Vollendung der inneren Einheit vorgenommen, und was hat sich getan in der zu Ende gehenden Legislaturperiode?
Als zentrales Vorhaben wurde im Koalitionsvertrag die Reduzierung der Arbeitslosigkeit im Osten benannt. Erreicht werden sollte das mit der Weiterführung bisheriger Investitionsförderungsprogramme, die den Bundeshaushalt jährlich 600 Millionen Euro kosten. Auf Drängen der neuen Bundesländer wurde das Hotelgewerbe mit in die Förderung aufgenommen. Auf ein ebenfalls versprochenes Großforschungszentrum konnten sich die Koalitionäre allerdings nicht einigen.
Tatsächlich gibt es im Osten heute eine halbe Million Arbeitslose weniger als 2005. Die Quote ist von 18,6 Prozent auf 12,9 in diesem Juli gesunken - liegt damit aber immer noch fast doppelt so hoch wie im Westen (sieben Prozent).
Dass die Arbeitslosigkeit zurückgegangen ist, liegt auch nicht nur an Investitionen und Arbeitsmarktreformen, dem Ausbau von Zeitarbeit und Billigjobs: Eine Rolle spielt nach wie vor die Abwanderung. Dem wollte die Große Koalition zwar entgegenwirken. Vor allem gingen aber wie gehabt gut ausgebildete Frauen zwischen 18 und 29 Jahren in den Westen oder ins Ausland. Manche Regionen wie Ostvorpommern oder das nördliche Sachsen-Anhalt drohen zu veröden. Selbst eine Studie im Auftrag von Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD), dem Aufbau-Ost-Beauftragten der Bundesregierung, hat ergeben, dass manche Regionen einfach "nicht förderbar" seien. Immerhin wurde im Zuge der Föderalismus-Reform die Weiterführung des milliardenschweren Solidarpakts II bis 2019 nochmals bekräftigt.
Gefördert wurde auch der "Stadtumbau Ost". Vor allem übermäßiger Leerstand in den Plattenbaugebieten sollte damit verhindert werden.
Auch in dieser Legislaturperiode fehlte es nicht an Forderungen, den Solidaritätsbeitrag endlich abzuschaffen oder doch wenigstens den Ostbeauftragten 20 Jahre nach dem Mauerfall endlich für überflüssig zu erklären. Unterschiede gebe es schließlich nicht nur zwischen Ost und West, sondern auch zwischen anderen Regionen des Landes.
So sieht es auch der Politologe Prof. Dr. Hans-Joachim Veen von der Universität Trier: "Wir müssen uns von der Vorstellung verabschieden, dass irgendwann eine vollkommene Einheit in Deutschland entsteht. Diese Vorstellung ist anti-pluralistisch. Eine innere Einheit ist bereits gegeben, wenn man grundlegende Verfassungswerte betrachtet. In den Grundfragen ist Deutschland bereits zusammengewachsen", sagte er dem Abendblatt. Die Große Koalition habe Deutschland als Ganzes im Auge gehabt und überall dort investiert wo es gefordert war: "Die Große Koalition hat Politik fürs Ganze gemacht und das auf vernünftige Art und Weise."
Prof. Dr. Klaus Schroeder, Leiter des Forschungsverbundes SED-Staat an der FU Berlin, sieht die Angleichungsbemühungen noch kritischer: "Die Situation ist seit 1995 festgefroren, es hat sich nichts getan. Die Differenzen im Lebensstandard sind geblieben, und zwar auf dem Stand von 1995." Als Ergebnis dessen hat sich in Deutschland, wie die vergangenen Landtagswahlen endgültig gezeigt haben, ein Fünf-Parteien-System etabliert. Ursache dafür ist eine im Osten erstarkte und nun auch im Westen etablierte Linkspartei. Und die Erkenntnis, dass eine Kanzlerin aus dem Osten dort weder als eine der ihren wahrgenommen wird noch im Westen als Fremdkörper. Ein starkes Indiz für das Zusammenwachsen des Landes.