Zur Bewältigung der Finanzkrise fordern die Grünen ein neues Abkommen für soziale, wirtschaftliche und ökologische Reformen - angelehnt an die US-Politik gegen die Wirtschaftsdepression der 30er Jahre.
Berlin. Ein Konzept des Bundesvorstands unter dem Titel "Grüner New Deal" wurde am Sonnabend vom Parteitag in Erfurt mit breiter Mehrheit unterstützt. Es sieht die Kontrolle der Märkte und gleichzeitig die Verbesserung von Sozialleistungen und Klimaschutz mit Investitionsprogrammen in Höhe von mindestens 20 Milliarden Euro vor. Eine genaue Gesamtsumme nannten sie nicht. Die Partei warnt davor, die Finanz-, Klima- und Hungerkrisen unabhängig voneinander bekämpfen zu wollen. Sie müssten zeitgleich gelöst werden.
Fraktionschef Fritz Kuhn warf Kanzlerin Angela Merkel (CDU) schwere Versäumnisse bei der Krisenbewältigung vor. So sei eine Steuerbefreiung für Autos "großer Mist". Finanzexperte Gerhard Schick rief den beinahe 800 Delegierten zu: "Wir brauchen eine neue Regulierung der Märkte."
Die Partei verlangt eine strikte Regulierung des "entfesselten Finanzmarktes" und eine bessere Aufsicht über seine Akteure, "um nicht die Allgemeinheit die Rechnung der Zocker zahlen zu lassen". Nach Milliardenhilfen für die Banken müsse der Finanzsektor auch per Sonderabgabe zur Kasse gebeten werden können. Banken sollten mitunter teilweise verstaatlicht werden. Die Grünen plädieren für eine europäische Wirtschaftsregierung - ohne die Europäische Union zu spalten. Eine gemeinsame Währung könne nur auf Dauer funktionieren, wenn auch die Wirtschaftspolitik in den einzelnen Mitgliedstaaten eng aufeinander abgestimmt sei, hieß es.
Es müsse eine Finanzumsatzsteuer eingeführt werden, um spekulative Geschäfte mit hohen Umsätzen unrentabel zu machen. Die Vermögen in Deutschland müssten zur Finanzierung des Gemeinwesens höher besteuert werden. Rating-Agenturen sollen neu strukturiert und ihre Machtposition zurückgedrängt werden. Beratung und Bewertung von Finanzprodukten müssten künftig strikt voneinander getrennt werden.
Die Grünen treten ferner dafür ein, Bildung ab dem Kindesalter, Mindestlöhne, Hilfen für Sozialschwache und Arbeitslose sowie eine schnellere Umstellung auf Erneuerbare Energien zu ermöglichen.
Dem von der Bundestagsfraktion bereits beschlossenen Konzept eines "Energiesparbonus" erteilte der Parteitag überraschend eine Absage. Wegen verfehlter Lenkungswirkung werden den Bürgern nun nicht 50 Euro pro Kopf und Jahr zum Kauf von energiesparenden Geräten zugestanden.
US-Präsident Franklin D. Roosevelt hatte in den 30er Jahren mit seinem "New Deal" ein Bündel von Wirtschafts- und Sozialreformen als politische Antwort auf die Weltwirtschaftskrise formuliert. Von dem designierten US-Präsidenten Barack wird derzeit Ähnliches erwartet.
Mit Spannung wird am Nachmittag die erwartete Wahl von Cem Özdemir zum neuen Grünen-Chef erwartet. Er wäre der erste deutsche Parteichef mit türkischer Abstammung. Co-Parteichefin Claudia Roth soll erneut bestätigt werden.