Als Kämpfer bewundert, als Strippenzieher gefürchtet: Möllemanns Laufbahn glich einer Achterbahn.
Berlin. Sein Ehrgeiz war zügellos, sein Kampfgeist ohne Beispiel. Aus noch so aussichtslosen Situationen fand Jürgen Wilhelm Möllemann ein ums andere Mal einen Ausweg. Stehaufmännchen und Spielernatur, Intrigant und Strippenzieher - seine wechselvolle politische Karriere hat ihm so manchen rühmlichen und auch unrühmlichen Beinamen eingebracht. Am Ende überwog das Unrühmliche, stand er ohne Einfluss und Gefährten da. Und auch ohne eine Chance, jemals auf die Bühne der Macht und der Mächtigen zurückzukehren, die ihm stets Lebenselexier gewesen war. An dem Tausendsassa haben sich im Laufe der Zeit stets die Geister geschieden. Seine Laufbahn glich einer Achterbahnfahrt. Seine politischen Talente waren anerkannt, sein Mut von vielen bewundert. Doch zugleich war Möllemann immer umstritten. Manche sagten ihm eine Neigung zum Größenwahn nach. Zugleich konnte er charmant sein und sehr amüsant. Er polarisierte, steckte immer im dicksten Getümmel, wusste sich wie kaum ein Zweiter in der Öffentlichkeit zu inszenieren. Begonnen hatte diese Karriere 1970. Da trat Möllemann nach flüchtigem Gastspiel bei der CDU den Freidemokraten bei. Bereits 1972 zog er - erst 27 Jahre alt - für die FDP in den Bundestag, dem er bis zu seinem Tod ununterbrochen angehörte. Schon damals liebte er Klamauk im Wahlkampf. Der publicityträchtige Auftritt lag dem Grund- und Hauptschullehrer, der einige Jahre Deutsch, Geschichte und Sport unterrichtet hatte, gleichsam im Blut. Möllemanns großer Förderer wurde Hans-Dietrich Genscher. Er machte den rast- und ruhelosen Jung-Parlamentarier nach dem Machtwechsel 1982 zum Staatsminister im Auswärtigen Amt. Franz Josef Strauß von der CSU verspottete ihn zwar als "Riesenstaatsmann Mümmelmann", doch sein Aufstieg war rasant: Er wurde Bundesminister, zunächst für Bildung und Wissenschaft, später für Wirtschaft. Nach Genschers Rückzug war er sogar acht Monate lang Vizekanzler. 1993 aber stürzte er über ein Affärchen: Er hatte für den Einkaufswagenchip eines Verwandten geworben. Die Liberalen bewunderten einerseits stets die Faszinations- und Überzeugungskraft, die von Möllemann ausging, nicht minder seinen Ideenreichtum und seine Durchsetzungsfähigkeit. Aber er war ihnen auch unheimlich, galt als durchtrieben und mitunter auch ein wenig halbseiden. Seine Parteikollegin Irmgard Schwaetzer, die sich von Möllemann aus dem Rennen um Genschers Außenamts-Nachfolge geworfen glaubte, schalt ihn daraufhin ein "intrigantes Schwein". Und Hermann Otto Solms nannte ihn einmal einen "Quartalsirren". Dass er nie selbst Außenminister und Parteivorsitzender werden durfte, habe Möllemann, so sagen viele in der FDP, nie verwunden. Er hielt sich für fähiger als die Parteichefs nach Genscher, denen er das Leben schwer machte, bis der Bruch unausweichlich war. Mehrfach schien seine Karriere am Ende. Stets kam er wieder. Doch im vergangenen Jahr hatte er mit hässlichen Attacken auf die israelische Regierung und auf Michel Friedman vom Zentralrat der Juden in Deutschland den Bogen überspannt, sich endgültig ins Abseits manövriert und mit seiner Partei heillos überworfen. Das Ende einer schillernden Karriere war besiegelt.