100 Polizisten und Steuerfahnder wollten gestern Beweise gegen Jürgen Möllemann finden

Hamburg. Um 12.20 Uhr hatte gestern der Bundestag die Immunität des Bundestagsabgeordneten Jürgen Möllemann aufgehoben. Nur eine viertel Stunde später rückten 100 Polizisten und Steuerfahnder zu einer Durchsuchung von 25 Büros und Wohnungen an 13 Orten in Deutschland, Luxemburg, Spanien und Liechtenstein aus. Dazu zählten die Räume von Möllemanns Firma WebTec sowie seine Ferienhäuser. Anlass waren die Ermittlungsverfahren wegen Steuerhinterziehung, Verstoßes gegen das Parteiengesetz, Untreue und Betruges der Staatsanwaltschaften Düsseldorf und Münster. Die Durchsuchung von Möllemanns Wohnung in Münster - seine Ehefrau Carola war anwesend - wurde abgebrochen, als der Tod ihres Mannes gemeldet wurde. Die Durchsuchungen waren der bisherige Höhepunkt in den juristischen Auseinandersetzungen, in die Möllemann seit der Verbreitung seines Israel-kritischen Flugblattes kurz vor der Bundestagswahl im September 2002 verstrickt war. Das erste Verfahren leitete die Staatsanwaltschaft Düsseldorf am 4. November 2002 wegen Verdachts des Verstoßes gegen das Parteiengesetz ein. Der Vorwurf lautete, Möllemann habe die Kosten für das Flugblatt von etwa 840 000 Euro in den Parteibüchern verschleiert und dafür illegale Spenden angenommen. Möllemann versicherte dazu eidesstattlich, er habe das Geld aus seinem Privatvermögen gezahlt. Kurz danach kam ein Verfahren wegen Verdachts der Untreue und des Betruges - zunächst gegen Unbekannt - hinzu. Dabei ging es um den Verdacht, der FDP-Landesverband Nordrhein-Westfalen habe 1999 und 2000 illegale Spenden angenommen. Als damaliger Landes-Chef wäre Möllemann dafür verantwortlich gewesen. Dadurch hätte die FDP widerrechtlich zu viel staatliche Parteienfinanzierung erhalten (Betrug), und der Bundes-FDP (Untreue) drohten Strafzahlungen. Seit Ende November ermittelte auch die Staatsanwaltschaft Münster wegen Steuerhinterziehung. Von einem Konto in Luxemburg hatte Möllemann im Frühjahr 2002 eine Million Euro in bar abgehoben. Es sollte geklärt werden, ob dieses Geld ordnungsgemäß versteuert wurde. Diese Summe könnte Möllemann zur Finanzierung des Flugblattes genutzt haben. Gegenüber der "Berliner Zeitung" bestritt Möllemann im März dies aber. In Luxemburg handele es sich um ein Treuhandkonto. Das Geld für das Flugblatt stamme unter anderem aus Gewinnen seiner Firma WebTec. Auch diese wurde gestern durchsucht. Endgültige Klarheit über die Finanzierungsgewohnheiten ihres ehemaligen Vize-Bundesvorsitzenden erhoffte sich die Bundes-FDP von einer zivilrechtlichen Auskunftsklage. Dafür hätte Möllemann am 16. Juni vor dem Landgericht Münster erscheinen müssen.