Der neue Umweltminister Peter Altmaier gibt Gas. Kaum anderthalb Wochen in Amt, will er den Problemfall Asse direkt vor Ort begutachten.
Berlin. Der Abstieg wird für Peter Altmaier rasend schnell gehen. In knapp zwei Minuten wird er in einem klapprigen Aufzug 750 Meter tief den Asse-Schacht hinunter sausen. Unten lagern hinter meterdick zugemauerten Kammern 126 000 Fässer mit radioaktivem Atommüll. Weil täglich Wasser in das frühere Salzbergwerk bei Wolfenbüttel dringt, soll der Müll raus. Doch keiner weiß, was passiert, wenn die Kammern angebohrt werden. Nun kursiert die Horrorzahl 2036 als Starttermin für die Rückholung. Der neue Bundesumweltminister fackelt nicht lange – kurzerhand kündigt er für Freitag seinen Besuch in der Asse an.
Zweifel an der Energiewende, Kürzung der Solarförderung, Neustart der Endlagersuche – und das Dauerproblem Asse. Der 52-Jährige hat mehrere Großbaustellen, die eine Einarbeitungszeit unmöglich machen. Erst vor knapp anderthalb Wochen erhielt der Vertraute von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) die Ernennungsurkunde von Bundespräsident Joachim Gauck. Seitdem ist er ein Hans Dampf in allen Gassen. Er selbst sagt, so ein Amt könne man nur mit 150 Prozent Einsatz schaffen.
Notfalls will er mit einem Bekochen von politischen Kontrahenten in seiner Berliner Altbauwohnung dafür sorgen, dass tragfähige Kompromisse erzielt werden. Nebenher kommuniziert der Twitter-Fan weiter eifrig über den Kurzmitteilungsdienst. So lässt er via Twitter beim schwierigen Solarthema wissen, dass massive Kürzungen – wie sie Vorgänger Norbert Röttgen wollte – nicht der einzige Weg sein dürften: „Ich will, dass unsere Solarwirtschaft hier + auf dem Weltmarkt eine Chance hat.“ Wo Dumping ist, werde er dagegen vorgehen, sagt er mit Blick auf die Konkurrenz aus China. Nur fünf Minuten nach seiner Ernennung durch Gauck twitterte Altmaier: „Auf geht’s an die Arbeit!“
+++ Altmaier besucht schon am Freitag Atommülllager Asse +++
+++ Energiewende: Merkel setzt auf Tempo +++
Als Parlamentarischer Geschäftsführer der Unions-Fraktion gelang es ihm, Kompromisse über Parteigrenzen hinweg zu schmieden, selbst sein SPD-Pendant Thomas Oppermann findet seinen Wechsel in das Umweltressort bedauerlich. In der Energiewirtschaft attestiert man ihm, den richtigen Ton zu treffen und Aufbruchstimmung zu verbreiten. Für ihn gibt es nicht den Konflikt zwischen Ökonomie und Ökologie, er will mit Wirtschaft, Industrie und Umweltverbänden gleichermaßen sprechen und sie alle als Unterstützer für die Energiewende ins Boot holen. Die Zweifler im eigenen Unionslager lässt er wissen: „Die Kernenergie in Deutschland ist Geschichte. Es gibt kein Zurück mehr.“
Gemessen wird er natürlich an Erfolgen. Da muss bei der Kürzung der Solarförderung eine Einigung mit den Ländern in den nächsten Wochen her, ebenso beim geplanten Neustart für eine bundesweite Suche nach einen Endlager für hochradioaktiven Atommüll. Bei der Asse – dem früheren Forschungsbergwerk für schwach- und mittelradioaktive Abfälle – soll es schneller mit der Bergung gehen. Womöglich greift Altmaier Forderungen nach einem Sondergesetz, einer Lex Asse, auf.
Das Dilemma bisher ist, dass die Bergung nach dem strengen Atomrecht geschehen soll, damit wären hunderte Auflagen zu erfüllen. Im Moment steht man vor dem Problem, dass nirgendwo genug Stickstoff für den Brandfall zu bekommen ist. Wo früher Kinder am Tag der offenen Tür in Sandalen vor gelben Atommüllfässern rumturnten, müssen heute bei der Ein- und Ausfahrt sehr penible Strahlenschutzkontrollen erfolgen. Altmaier gibt unumwunden zu, dass er mit dem eingereichten Zeitplan des ihm unterstellen Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS) und seines Präsidenten Wolfram König überhaupt nicht zufrieden ist. Nach dessen Terminplan-Entwurf könnte es vermutlich erst 2036 mit der Bergung losgehen – ein Schreckensszenario für die Menschen vor Ort.
In der Region dürfte Altmaier positiv empfangen werden, war sein Vorgänger Röttgen doch erst im März – zweieinhalb Jahre nach Amtsantritt – erstmals zur Asse gekommen. Die Bürger fürchten bei einem Verbleiben des Atommülls im Bergwerk, dass irgendwann unkontrolliert Wasser eindringt, dieses den Müll auflöst und dann die Atomsuppe durch den stark arbeitenden Berg nach oben gedrückt wird und das ganze Grundwasser verseucht. Statt mit der Ankündigung von Taten zu beruhigen, macht Altmaier die Asse umgehend zur Chefsache. Das hatten die Anwohner seit Jahren auch von Röttgen gefordert. (dpa)