Kanzlerin Angela Merkel kämpft in Europa für den europäischen Fiskalpakt – doch klappt die Verabschiedung zu Hause so zügig wie erhofft?
Berlin. Für die von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) geplante gemeinsame Verabschiedung des künftigen Euro-Rettungsschirms ESM und des Fiskalpakts noch vor der Sommerpause wird es eng. "Ich glaube nicht, dass Deutschland den Fiskalpakt vor dem Herbst ratifizieren kann“, sagte Ex-Finanzminister Peer Steinbrück (SPD). Die Grünen erwägen einen Sonderparteitag, um ihre Haltung festzulegen. Vor einem Treffen Merkels mit den Partei- und Bundestagsfraktionschefs am Donnerstag gab es aber auch Signale der Verhandlungsbereitschaft.
Der Anfang März unterzeichnete Pakt von 25 der 27 EU-Staaten schreibt strengere Haushaltsregeln und einen Schuldenabbau vor. Zur Umsetzung in Deutschland braucht die Koalition eine Zwei-Drittel-Mehrheit – und damit Stimmen der Opposition.
+++ Eurobonds bleiben Reizthema zwischen Berlin und Paris +++
SPD und Grüne gingen auf Distanz zu Eurobonds, wie sie der französische Präsident François Hollande beim EU-Sondergipfel am Mittwochabend in Brüssel erneut forderte. Die Debatte sei skurril, sagte SPD-Chef Sigmar Gabriel im ARD-„Morgenmagazin“. „Das sind gemeinschaftlich garantierte Schulden, das wird es in der Allgemeinheit garantiert nicht geben.“ Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin erklärte im Deutschlandfunk, Eurobonds – gemeinsame europäische Anleihen – seien zwar ökonomisch richtig. Für eine nötige Änderung der EU-Verträge fehle aber die Zeit. Auch Merkel lehnt Eurobonds ab.
Gabriel sprach sich stattdessen für ein Modell aus, nach dem nur der Teil der Schulden vergemeinschaftet würde, der über 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts liegt, und in 25 Jahren abbezahlt würde. Auch Trittin plädiert für eine solche Lösung.
Merkel wollte Gabriel, Trittin sowie die anderen Partei- und Fraktionschefs im Bundestag am Donnerstagnachmittag über den Brüsseler Gipfel informieren. Die EU setzt im Kampf gegen Schuldenkrise und Rezession auf mehr Impulse für Wirtschaftswachstum. Entschieden wird aber erst beim nächsten Gipfel Ende Juni. Griechenland soll im Euro bleiben.
+++ Partei- und Fraktionschefs verhandeln über Fiskalpakt +++
Gabriel sagte: „Es geht nicht um die Veränderung des Fiskalpaktes, sondern um die Ergänzung, um Initiativen für Wachstum und Beschäftigung.“ Zur Finanzierung müssten die Mittel der Europäischen Investitionsbank aufgestockt und Gelder genutzt werden, die die EU nicht verbraucht – laut Gabriel rund 20 Milliarden Euro. SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann sagte dem Fernsehsender Phoenix: „Ob es bis zum Sommer eine Einigung gibt, hängt ausschließlich davon ab, wie schnell sich die Kanzlerin auf die SPD zubewegt.“
Bei den grünen könnte eventuell ein Sonderparteitag einberufen werden, wenn der Fiskalpakt erst nach der Sommerpause beschlossen würde. Einen entsprechenden Vorstoß unternahm der ihr Europaabgeordneter Reinhard Bütikofer auf der Internetplattform Twitter. Die Bundestagsabgeordneten Gerhard Schick und Sven-Christian Kindler sagten der dpa, sie unterstützten das.
+++ SPD lässt beim Thema Fiskalpakt die Muskeln spielen +++
Steinbrück warf Merkel mangelndes Tempo vor: „Sie hat in meinen Augen sträflich viel Zeit vergeben, um sich mit den Bundesländern über die Auswirkungen des Fiskalpaktes auf ihre Finanzlagen zu einigen und auch der SPD Angebote zu machen.“ Er rechne nun mit Verhandlungen den ganzen Juni hindurch, sagte der mögliche SPD-Kanzlerkandidat. Auch im Bundesrat ist eine Zwei-Drittel-Mehrheit erforderlich.
Unter den deutschen Kommunen wächst die Besorgnis vor neuen Belastungen durch den Fiskalpakt. „Die letzen Hinweise aus dem Bundesfinanzministerium lassen bei uns die Alarmglocken klingeln“, sagte Hannovers Oberbürgermeister Stephan Weil (SPD) der dpa. Die Bundesregierung müsse klarstellen, ob damit die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse von 2020 auf 2014 vorgezogen werden solle. „Dies wäre eine völlig neue Geschäftsgrundlage und für zahlreiche Städte nicht verkraftbar.“ (dpa)