Verlängern oder auslaufen lassen? Die Fronten zwischen Union und FDP sind verhärtet. Opposition glaubt nicht an eine schnelle Lösung.
Berlin/Hamburg. Im Streit um die Verlängerung der Anti-Terror-Gesetze bekommt Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) Unterstützung aus Norddeutschland. Die Innenminister der Länder Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen sprachen sich gestern für eine Weiterführung der bisherigen Maßnahmen aus.
"Wir bauen auch weiterhin auf eine bewährte Sicherheitsarchitektur in Deutschland", sagte der schleswig-holsteinische Innenminister Klaus Schlie (CDU) dem Abendblatt. "Die Anti-Terror-Gesetze sollten unbefristet verlängert werden - denn sie haben sich seit Inkrafttreten des Terrorismusbekämpfungsgesetzes als sinnvoll erwiesen." Man brauche wirksame Sicherheitsgesetze, um terroristische Anschläge in Deutschland verhindern zu können, forderte er. Auch Schlies Amtskollege aus Mecklenburg-Vorpommern, Lorenz Caffier (CDU), plädierte für eine Verlängerung der Gesetze. "Die den Verfassungsschutzbehörden bislang befristet zustehenden Befugnisse der Informationserhebung bei Luftfahrtunternehmen, Finanzdienstleistern, Post und Telekommunikationsunternehmen und Anbietern von Telemedien halte ich im Hinblick auf eine effiziente Terrorismusbekämpfung für unverzichtbar", sagte er dem Abendblatt. "Sie sollten zukünftig dauerhaft fortgeführt werden." So sei es nur auf Grundlage der Befugnis zur Erhebung der entsprechenden Verkehrsdaten möglich gewesen, die jüngste Verhaftung einer Al-Qaida-Zelle in Düsseldorf zu realisieren. Auch der niedersächsische Innenminister Uwe Schünemann (CDU) will die Gesetze wegen anhaltender Terrorgefahr unbefristet verlängern.
Die Anti-Terror-Gesetze wurden nach den Anschlägen in New York am 11. September 2001 beschlossen und 2006 um fünf Jahre verlängert. Am 12. Januar 2012 laufen sie aus, sollte vorher keine andere Regelung getroffen werden - und genau darum ist der Streit entbrannt. Dabei handelt es sich um ein ganzes Maßnahmenpaket, das verschiedene Bereiche umfasst. So haben die Sicherheitsbehörden bei Post, Telekommunikation oder Flugreisen ausgeweitete Ermittlungsbefugnisse. Auch waren die Gesetze Grundlage für die Verwendung biometrischer Daten in Personalausweis und Reisepass.
Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) trommelt für eine Abschaffung der meisten dieser Regelungen, weil sie darin eine zu weitreichende Beschneidung der Bürgerrechte sieht. Diese Position wird von allen Liberalen geteilt - nicht aber von Union und Innenminister Friedrich. Zudem fordert Leutheusser-Schnarrenberger die Abschaffung des Militärischen Abschirmdienstes MAD. Neben dem Bundesnachrichtendienst und dem Verfassungsschutz gebe es zu viele überflüssige Doppelstrukturen, so ihr Argument. Die Union will am MAD festhalten.
Der FDP-Politiker Stadler bezeichnete im Deutschlandfunk die Gesetze als Ausnahmeregelungen. „Die können nicht dauerhaft bestehen„, betonte er. Es müsse hinterfragt werde, ob die Regelungen noch erforderlich seien und was die Bestimmungen im Einzelnen gebracht hätten. „Es ist gerade unsere Aufgabe, dass wir klären, ob Grundrechtseingriffe, die sehr in den privaten Bereich hineingehen, noch berechtigt sind„, fügte Stadler hinzu.
So sorgen beide Säulen der Debatte - Anti-Terror-Gesetze und Zukunft des MAD - für reichlich Konfliktstoff. "Mir ist völlig unklar, wie man da auf einen gemeinsamen Nenner kommen will", gab der Vorsitzende des Innenausschusses, Wolfgang Bosbach, gestern zu. FDP-Generalsekretär Christian Lindner versuchte zur Ordnung zu mahnen: "Gerade weil die Sicherheitslage sensibel ist, erwarten wir von der Union weniger Sirenengeheul und mehr Dialog."
Gut möglich, dass die Union bei ihrem Anliegen am Ende von der SPD Unterstützung bekommt. "Die Mehrheit unserer 146 Abgeordneten wird einer befristeten Verlängerung der Anti-Terror-Gesetze zustimmen. Dafür sind bloß Veränderungen im Detail und eine eingehende Überprüfung nötig. Ich halte die Gesetze für maßvoll", sagte der rheinland-pfälzische SPD-Abgeordnete Michael Hartmann. Sein Fraktionskollege Dieter Wiefelspütz hatte bereits deutlich gemacht, dass die SPD offen ist für eine auf fünf Jahre befristete Verlängerung der Gesetze. Heute kommen die Innenminister der Länder mit Friedrich in Berlin zu einer Sonderkonferenz zusammen, um über die Zukunft der Anti-Terror-Gesetze zu beraten.
Der parlamentarische Geschäftsführer der SPD, Thomas Oppermann, nannte das Treffen "reine Schaufensterpolitik". Davon seien keine Fortschritte im Kampf gegen den Terror zu erwarten, sagte er dem Abendblatt. Friedrich versuche mit der Konferenz davon abzulenken, dass er im Streit mit Leutheusser-Schnarrenberger noch immer kein Ergebnis erzielt habe. Auch das Treffen werde den Streit nicht lösen können.