Leutheusser-Schnarrenberger sieht im Streit um die Anti-Terror-Gesetze nun Bewegung bei der Union. “Gesetze aus gutem Grund befristet.“
Berlin. Im Koalitionsstreit um die Verlängerung der Anti-Terror-Gesetze ist nach Einschätzung von Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger eine Einigung wahrscheinlicher geworden. "Nach dem Schlingerkurs der Union nähert sich Bundesinnenminister Friederich nun offenbar der Position der FDP an", sagte die stellvertretende Bundesvorsitzende der Liberalen dem Hamburger Abendblatt. "Die Sicherheitsgesetze sind aus gutem Grund befristet und stehen jetzt insgesamt auf dem Prüfstand." Die Anti-Terror-Pakete gelten bis zum Januar 2012, dann muss der Bundestag über eine - befristete oder unbefristete - Verlängerung entscheiden.
Friedrich hatte zuvor erkennen lassen, dass sich die Union nun doch bereitfinden könnte, auf eine Entfristung der Gesetze zu verzichten. "Die FDP hat sich da klar positioniert, und ich denke, das ist ein Punkt, wo man ihr entgegenkommen kann", sagte der CSU-Politiker im Deutschlandfunk. Es komme jedoch darauf an, inwieweit die FDP und ihre Justizministerin "auch inhaltlich mitgingen". Bei seinem Antrittsbesuch im Bundeskriminalamt sagte Friedrich gestern eine sorgfältige Überprüfung der Anti-Terror-Gesetze zu. "Wir schauen uns jetzt an, was hat es gebracht", so der Minister. Das werde "ruhig und ohne Eifer geschehen".
Leutheusser-Schnarrenberger betonte mit Blick auf den Bundesparteitag der Liberalen in Rostock: "Die Grundhaltung der FDP ist klar, das hat sich am vergangenen Wochenende gezeigt. Die Kehrtwende in der Sicherheitspolitik ist ein Markenzeichen dieser Koalition." Gerade das Zusammenspiel der Überwachung von Finanz-, Bewegungs- und Kommunikationsdaten ermögliche umfassende Profile ohne das Wissen der Betroffenen. "Auch unbescholtene Bürger können in das Visier der Nachrichtendienste gelangen und erfahren spät oder gar nicht von ihrer Überwachung."
Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 hatte der Bundestag mehrere Gesetzespakete beschlossen, um die Sicherheitsbehörden im Kampf gegen den internationalen Terrorismus zu stärken. Sie geben den Geheimdiensten weitreichende Auskunftsbefugnisse bei der Jagd auf Terrorverdächtige. Die Dienste können unter anderem Flugpassagierdaten, Kontenbewegungen und Verbindungsdaten für Telefon und Internet abfragen.
Flugdaten nutzen die Dienste etwa, um Reisebewegungen in afghanische oder pakistanische Terror-Camps aufzudecken. Seit 2002 fragte der Verfassungsschutz nach Angaben aus Sicherheitskreisen für 16 Verdächtige die Flugdaten ab. Die Geheimdienste erkundigen sich auch bei Telekom-Unternehmen nach sogenannten Verkehrsdaten: wer wann mit wem telefoniert hat. In Sicherheitskreisen wird jedoch darüber geklagt, dass die Ausbeute deutlich zurückgegangen ist, seit das Bundesverfassungsgericht die Vorratsdatenspeicherung im März 2010 gekippt hat. Seit 2002 gab es nach 265 Anfragen des Verfassungsschutzes nach solchen Verkehrsdaten.