Innenminister Hans-Peter Friedrich über die Bedeutung der Anti-Terror-Gesetze, neuen Nationalismus in Europa und seine eigene Person.
Berlin. Als Landesgruppenchef der CSU im Bundestag schlug Hans-Peter Friedrichs Herz vor allem für die Wirtschaftspolitik. Doch Anfang März beförderte der Rücktritt von Karl-Theodor zu Guttenberg den 54 Jahre alten Oberfranken ins Amt des Bundesinnenministers. Inzwischen, sagt Friedrich, habe er sich auf dem Posten gut eingearbeitet. Eine Vertrautheit ist ihm geblieben: Sein neues Büro liegt wie das alte direkt an der Spree.
Hamburger Abendblatt: Herr Minister, wie groß ist die Gefahr, in Deutschland einem Verbrechen zum Opfer zu fallen?
Hans-Peter Friedrich: Deutschland ist eines der sichersten Länder der Erde - mit der höchsten Zahl aufgeklärter Straftaten seit der Wiedervereinigung. Sowohl bei den Straftaten insgesamt als auch bei der Gewaltkriminalität haben wir erfreulicherweise sinkende Zahlen. Beunruhigend bleibt, dass die Zahl der gewaltbereiten Jugendlichen weiter alarmierend hoch ist.
Ist Hamburg ein besonders gefährlicher Ort?
Friedrich: Nein. Auch in Hamburg gehen die Straftaten zurück, im letzten Jahr um gut fünf Prozent.
Fehlt Geld, um die Bürger noch besser zu schützen?
Friedrich: Wir brauchen genügend Polizisten, um die Sicherheit zu gewährleisten und Straftaten aufzuklären. Für die Bundespolizei und das Bundeskriminalamt kann ich sagen, dass wir in den vergangenen Jahren einen stetigen Personalzuwachs hatten. Wichtig ist aber auch, dass die Bevölkerung die Arbeit der Polizei stärker unterstützt.
Inwiefern?
Friedrich: Es macht mir große Sorgen, dass die Zahl der Angriffe gegen Polizisten besonders hoch ist. Die Polizei muss wieder mehr als Freund und Helfer akzeptiert werden.
Die Bundespolizei, die auch Flughäfen schützt, klagt über massive Überlastung ...
Friedrich: Die Belastung ist für die Bundespolizisten insgesamt hoch. Da wird es schwierig, der Bundespolizei immer noch mehr Aufgaben zu übertragen. Bei jedem Flughafenausbau und bei Passagierzuwächsen brauchen wir mehr Polizisten.
Kann die Bundeswehr der Polizei bei der Terrorabwehr helfen?
Friedrich: Grundsätzlich gilt: Polizeiaufgaben sind nicht Aufgaben der Bundeswehr. Aber für bestimmte Bedrohungslagen reichen die Mittel der Polizei nicht aus. In solchen Fällen sollten wir die Möglichkeit haben, die Streitkräfte einzusetzen - wegen ihrer besonderen Fähigkeiten, die die Polizei nicht hat.
Muss dafür die Verfassung geändert werden?
Friedrich: Das Grundgesetz lässt in Ausnahmefällen den Einsatz der Bundeswehr im Inland zu. Artikel 35 nennt Naturkatastrophen und besonders schwere Unglücksfälle. Ich bin dafür, den Katalog zu erweitern, damit die Bundeswehr zur Abwehr terroristischer Angriffe im Inland eingesetzt werden kann. Mir ist aber auch klar, dass es zum jetzigen Zeitpunkt nicht die erforderliche Mehrheit für eine entsprechende Verfassungsänderung gibt.
Wie groß ist die Gefahr eines islamistischen Anschlags in Deutschland?
Friedrich: Die Tötung Bin Ladens wird al-Qaida mutmaßlich auf lange Sicht schwächen. Kurzfristig müssen wir allerdings mit Racheaktionen von Einzeltätern rechnen. Grundsätzlich gilt: Europa und auch Deutschland geraten mehr und mehr ins Fadenkreuz des internationalen Terrorismus. Die Erkenntnisse unserer Nachrichtendienste weisen darauf hin, dass sich diese Entwicklung fortsetzt.
Die Anti-Terror-Gesetze laufen im Januar aus, die FDP sperrt sich gegen eine pauschale Verlängerung. Lenkt die Union ein?
Friedrich: Ich bin der FDP schon in einem entscheidenden Punkt entgegengekommen. Ich habe einen denkbaren Kompromiss aufgezeigt, der eine befristete Verlängerung der Anti-Terror-Gesetze vorsieht. Ich bin auch dafür, dass wir uns jede einzelne Regelung genau anschauen - entsprechende Gutachten liegen längst vor. Die Koalition muss allerdings noch vor der Sommerpause entscheiden, welche Regelung in welcher Form verlängert werden soll. Wir brauchen eine Lösung.
Wie kann die aussehen?
Friedrich: Wir werden den überwiegenden Teil der Befugnisse weiter brauchen. Unseren Sicherheitsbehörden muss es möglich sein, Auskünfte einzuholen, die Finanzämter und andere Behörden ganz selbstverständlich auch abfragen können.
Auf welche Regelung könnten Sie verzichten?
Friedrich: Das werden wir in der Koalition beraten. Unabhängige Gutachter raten, eine Regelung auslaufen zu lassen, die es erlaubt, bei der Post die Empfänger von Sendungen eines Verdächtigen abzufragen.
Bleibt es bei der Abfrage von Kontenbewegungen?
Friedrich: Wir müssen die Geldbewegungen der Terroristen im Auge behalten können. Unser Ziel ist nicht, unbescholtene Bürger zu überwachen, sondern es geht um eine kleine Gruppe von Terrorverdächtigen und ihren Helfershelfern.
Warum bestehen Sie darauf, dass die Vorratsspeicherung von Telefon- und Internetverbindungsdaten wieder eingeführt wird?
Friedrich: Es ist doch ganz klar, dass wir wissen müssen, mit wem ein Terrorverdächtiger in den vergangenen Wochen und Monaten telefoniert hat. Im Moment können wir das nicht. Das erschwert die Arbeit der Sicherheitsbehörden enorm.
Werten Sie die Haltung der FDP und ihrer Justizministerin als Blockade?
Friedrich: Deutschland ist auch europarechtlich verpflichtet, eine Form der Mindestspeicherfrist wieder einzuführen. Warum die Justizministerin eine Regelung verzögert, bleibt unverständlich.
Für die FDP sind Sie mit solchen Positionen ein Hardliner.
Friedrich: Ich bin in Dingen hart, von denen ich überzeugt bin. Wenn es um den Schutz und die Sicherheit unserer Bürger geht, gehe ich keine Kompromisse ein. Wenn man damit ein Hardliner ist, dann bin ich gerne ein Hardliner.
Dänemark will die Grenze zu Deutschland wieder kontrollieren. Was sagt das aus über den Zustand der EU?
Friedrich: Europa ist in einer schwierigen Phase. Gleich in mehreren Mitgliedstaaten werden Rechtspopulisten immer stärker. Sie werben mit anti-europäischen Parolen. Ich sehe die Gefahr, dass sich ein kleingeistiger Nationalismus ausbreitet und das große Friedens- und Zukunftswerk der EU in Gefahr bringt.
Dänemark gefährdet den Frieden in Europa?
Friedrich: Nein, aber Dänemark betreibt eine Symbolpolitik, die darauf gerichtet ist, sich von anderen abzugrenzen. Es ist richtig, wenn ein EU-Staat signalisiert, dass er willens und in der Lage ist, die Sicherheit seiner Bürger zu garantieren. Aber es gibt keinen sachlichen Grund, die Grenzen zwischen Deutschland und Dänemark wieder zu kontrollieren.
Wie soll die EU darauf reagieren?
Friedrich: Die Kommission muss sich sehr genau anschauen, ob Dänemark das Schengen-Abkommen umgeht - etwa mit unbegründeten Personenkontrollen.
Die Europäische Union verhängte Sanktionen gegen Österreich, als seinerzeit Haiders FPÖ an die Macht kam. Ein Modell für den Umgang mit den dänischen Rechtspopulisten?
Friedrich: Nein. Konfrontation führt in der Politik selten zum gewünschten Ergebnis. Ich fand es seinerzeit nicht unproblematisch, dass Österreich wegen eines demokratischen Wahlausgangs bestraft wurde. Unser Ziel muss sein, der Mehrheit der vernünftigen Europäer klarzumachen, wie wichtig dieses gemeinsame Projekt Europa ist. Diejenigen, die rechts- oder linksradikale Positionen vertreten, müssen von der Mehrheit der Bevölkerung isoliert werden. Es geht nicht um Strafen und Sanktionen, sondern um Werben für ein gemeinsames Europa.